Die Wildnis der Mythen. Friedrich Georg Jüngers Griechische Mythen

Die Nacherzählung von alten Mythen dient oft der Abfuhr von politischen Emotionen. Zumal die griechischen Mythen voller politischer Greuel und Grausamkeiten sind und so als Hintergrund für die Abscheulichkeiten der Gegenwart herhalten können:  Abschreckung, Stellvertretung/Abfuhr oder Modell, an dem man lernen kann. Soll man daraus folgern: der Mensch war also immer schon so und ist nicht zu ändern? Oder lieber: lasst uns realistisch sein und dieser Einstellungen als anthropologisch weiterhin gewärtig sein, aber um nach Auswegen und Eingrenzungen suchen. Oft werden diese selbst in den Mythen angedeutet. Denn viele griechische Geschichten enthalten die zwei Botschaften des Orakels von Delphi: „Erkenne dich selbst“ und „Nichts im Übermaß“, also: Werde nicht übermütig und übergriffig, versuche nicht, den Göttern gleich zu werden, sondern erkenne lieber deinen wahren Ort und dein Ich. Erkenntnisse, die gerade heute von besonderer Bedeutung sind, ob in Lebensweise oder Politik, in Ernährung, Wissenschaft oder Sport.

„Die Wildnis der Mythen. Friedrich Georg Jüngers Griechische Mythen“ weiterlesen

Odyssee durchs Winter-Wunderland: „Der Schneesturm“ von Vladimir Sorokin

Es war einmal … Schnee. Schnee ist „das“ Symbol für den Winter. Wir bauen Schneemänner. Wir lieben Schneeballschlachten. Wir laufen Ski. Wir warten auf „weiße Weihnachten“ und sind enttäuscht, wenn uns Petrus den Wunsch (mal wieder) nicht erfüllt hat. Wir fluchen über Schneematsch und schliddern über von feinen Schneeschichten überzuckertes Eis. Und nichts ist schöner, als sich an einem Sonntag mit einem Buch unter die Decke zu mummeln, während draußen sacht die Flocken fallen. Schnee besitzt gefühlsmäßig etwas geradezu verkitscht-heimeliges. Deshalb Vorsicht! Der Roman „Der Schneesturm“ des russischen Schriftstellers Vladimir Sorokin, erschienen 2012 in deutscher Übersetzung im Verlag Kiepenheuer & Witsch, könnte das traute Bild vom mythisch weißen Winter-Wunderland etwas dämpfen.

„Odyssee durchs Winter-Wunderland: „Der Schneesturm“ von Vladimir Sorokin“ weiterlesen

Das Gespenst im Buddehaus

Liebe Leserinnen und Leser des MYTHO-Blogs,

da unsere geplante Grusel-Wusel-Lesung für Klein und Groß im Leipziger Budde-Haus aufgrund der aktuellen Einschränkungen leider entfällt, folgt anbei die Premiere der Gespenstererzählung, die der Anglist und Schriftsteller Elmar Schenkel für Halloween 2020 geschrieben hat.

Viel Spaß beim Lesen und Gruseln wünscht Ihnen

Das Team vom MYTHO-Blog

———————————————————————————-

Tagsüber glaubte natürlich keiner an Gespenster. Die Sonne schien und alles war klar. Gespenster gab es nicht. Punkt. Aber wenn dann abends die Dunkelheit langsam in das alte Haus kroch und es zu knistern und zu knarren begann… wenn es so dunkel wurde, im Herbst, machten sich die Kinder Gedanken. Zuerst hörte es sich an, als ob ein Floh auf Zehenspitzen gehen würde. Dann ein Flüstern in der Stille, denn sie horchten nun genau hin. Oder auch merkwürdige Schritte, so dass Johannes einmal sagte: Da geht wohl ein Huhn mit Stiefeln oder was? Oder ein Geschiebe von Gegenständen. Da schiebt wohl einer Langeweile… ! Und sie lachten darüber und machten sich lustig.

„Das Gespenst im Buddehaus“ weiterlesen

Symbolon – Europas Kinder auf Reisen: Eine Erzählung von Florian Russi

Was ist Europa? Die Frage scheint so simpel wie kompliziert. Europa, das ist der zweitkleinste Kontinent der Erde mit drei Zeitzonen, derzeit siebenundvierzig unabhängigen Staaten und über siebenhundert Millionen Einwohnern. Europa assoziieren wir im Allgemeinen mit dem „Abendland“, das, der in der Schule vermittelten geographischen Definition zufolge, im Westen vom Atlantik und im Osten vom Ural respektive dem Kaukasus eingefasst wird. Europa ist die Geburtsstätte mehrerer Weltreiche, Schauplatz unzähliger Konflikte und Auseinandersetzungen, Ursprung zweier Weltkriege und infolgendessen auch der Ursprung der Europäischen Union, einer Wirtschafts- und Währungsgemeinschaft, der bis heute achtundzwanzig Staaten angehören, wobei neunzehn davon mit dem „Euro“ auch einen einheitlichen Währungsraum bilden. Europa, das ist eine Idee, wie es der französische Journalist Bernard-Henri Lévy postuliert hat, die Wiege der abendländischen Kultur, vor allem aber ist Europa ein ureigener Mythos.

„Symbolon – Europas Kinder auf Reisen: Eine Erzählung von Florian Russi“ weiterlesen