2. Leipziger Mythen-Tag 2021

"Reisen in Imaginäre Welten"

9. Oktober 2021

9.30 Uhr – 17 Uhr

Gohliser Schlösschen – Westarkade (Menckestr. 23, 04155 Leipzig)

Programm

Unser diesjähriger Mythen-Tag verschlägt uns in die Welt des Irrealen, des Traumhaften, des Fiktiven, des Jenseitigen, des Unwirklichen, kurzum, des Imaginären. Seit jeher hat es die Menschen begleitet und die Fantasie beflügelt. Wir laden Sie ein, mit uns auf eine Reise ins „Andere“ zu gehen, das sich u. a. in Kulturgeschichte, Kunst, Ethnologie, Mythologie und natürlich in der Literatur ausdrückt. 

Beginn: 9.30 Uhr – Begrüßung und Einführung (Prof. Elmar Schenkel und Dr. Birgit Scheps-Bretschneider)

Block 1

10 Uhr – „Die Erde steht offen“: Geister, Wiedergänger und Nachtgestalten im Alten Rom

Dr. Constance Timm (Leipzig)

Wie alle antiken Gesellschaften nahmen auch die Römer die Verbindung zum Jenseits und zu den Verstorbenen sehr ernst. Darüber hinaus boten Aberglauben und Geistergeschichten einen passenden Stoff für die Unterhaltung. So erwähnt der Dichter Titus Petronius in seinem satirischen Roman „Satyrica“ den Ritus des Tischeküssens, der die Geladenen eines Gastmahls nach dem Ende der Festivitäten vor den Nachthexen beschützen soll. Totengeistern wie den Laren, Manen oder Larven hingegen hatte man in anderer Form Respekt zu erweisen, waren sie doch entweder als Hausgeister für den Schutz von Familien zuständig oder konnten sich in ihrer eher menschenfeindlichen Form in blutsaugende, vampirische Ungeheuer verwandeln. Zudem existierten über das Jahr hinweg eine Reihe von Totenfesten, wie etwa das „Mundus patet“, bei welchen es in der Vorstellung der Römer eine direkte Verbindung zwischen Diesseits und Jenseits gab. Stoff genug also, um über die Grenzen des Imaginären zu schauen und auf eine Spurensuche des Grusels zu gehen.

Constance Timm. Studium der Geschichte, Archivwissenschaften und Germanistik. Schwerpunkten u. a. mediävistische und moderne Erinnerungskultur, Mythenrezeption sowie die vergleichende Kultur- und Literaturgeschichte.

11 Uhr – Alchemie: Die Welt mit anderen Augen sehen

Leonhard Lietz (Düsseldorf)

Die hermetische Philosophie oder Alchemie hatte einen großen Einfluss auf Kunst und Wissenschaft im europäischen Abendland. Unter Hervorhebung ihres breiten theoretischen Unterbaus bezeichneten sich die Alchemisten häufig selbst als »Philosophen«. Bis ins 18. Jahrhundert fand die alchemistische Kunst das Interesse aller Gebildeten und bildete die Grundlage wissenschaftlichen Denkens und Handelns. Ziel der alchemistischen Arbeit war das »Große Werk«, die Erzeugung des berühmten Steins der Weisen, dessen berühmteste Eigenschaft – unedle Metalle in Gold zu verwandeln – bis heute im Gedächtnis der Populärkultur geblieben ist. Die Grundlage ihrer Kenntnisse bezogen die Alchemisten aus antiken Schriften und überlieferten Rezepturen, zu deren Verfassern legendenumrankte Gestalten wie Hermes Trismegistus, Paracelsus und viele andere gehörten. Diese Schriften, deren Ursprünge oft im Nebel der Geschichte verschwimmen, sollten dem dem Alchemisten umfangreiche Kenntnisse über die Beschaffenheit der Welt und der Natur des Menschen offenbaren.

Welche metaphysischen Gedankengebäude und Ideale sich hinter dem Begriff Alchemie verbergen und welche Persönlichkeiten sich dieser geheimnisumwitterten Kunst widmeten, will dieser Vortrag an Hand ausgesuchter Quellen und biografischen Skizzen dem interessierten Publikum näherbringen.

Leonhard Lietz. Studium der Germanistik und Geschichte an der Bergischen Universität Wuppertal. U.a. Lehrtätigkeit in Indien als Deutschtutor an der University of Delhi. Schwerpunkte kulturhistorische Geschichte von Edelsteinen und Bergmannssagen sowie Magiestudien.

12 Uhr – Post aus dem Paradies

Christoph Sorger (Leipzig)

 

Im Jahr 1164 bekam der byzantinische Kaiser Manuel I. Komnenos einen Brief des Priesterkönigs Johannes, der bald in zahlreichen Abschriften in ganz Europa kursierte. Zu lesen waren wahre Wunderdinge aus einer Art irdischem Paradies. Allerdings – den Priesterköng Johannes gab es überhaupt nicht. Nichtsdestoweniger beschäftigtem er und sein imaginäres Reich die Geister bis ins 16. Jahrhundert und regten letztlich auch Entdeckungsreisen an. Christoph Sorger geht in seinem Vortrag dem Ineinander von Realität und Phantastik in der Wahrnehmung der Welt nach – etwas, das keineswegs nur eine Sache vergangener Jahrhunderte ist …

Christoph Sorger. Studium der Journalistik. Arbeit als Redakteur, Verlagslektor, Übersetzer und Herausgeber (u.a. G. K. Chesterton). Schwerpunkte u. a. griechische Mythologie und Mythenrezeption sowie vergleichende Kulturgeschichte.

Mittagspause 13 Uhr – 14 Uhr

Block 2

14 Uhr – „Die Geister, die ich rief!“: Von Kobolden, Geldmännern und anderen Hausgeistern des deutschen Volksglaubens

Florian Schäfer (Forgotten Creatures, Göttingen)

Der Glaube an feurige Drachen, lästige Kobolde und fleißige Wichtel prägte das Leben und den Alltag der Menschen über viele Jahrhunderte hinweg. Heute haben wir kaum noch Bezug zu diesen Geschichten, obwohl die Faszination für das Sonderbare noch immer tief in uns schlummert. Fantastische Romane, Filme und Serien sind in aller Munde und begeistern täglich Millionen von Menschen. Doch woher kommen diese phantastischen Wesen wirklich?

Der Künstler Florian Schäfer erweckt diese fast vergessenen Kreaturen auf Basis historischer Beschreibungen in seinem Mythenatelier zum Leben. Im Rahmen des 2. Leipziger Mythentages entführt er die Gäste in die Welt der Fabelwesen und Geister: Wie stellten sich die Menschen des Mittelalters einen Kobold vor? Wie züchtet man Alraunen? Wie wird man einen schädlichen Hausgeist wieder los? All diesen und vielen anderen Fragen widmet sich der selbsternannte „Mythensammler“. www.forgottencreatures.de

Florian Schäfer. Naturwissenschaftler, Künstler und Autor. Treibende Kraft hinter dem Projekt „Forgotten Creatures“, das mythologische und volksundliche Themen populärwissenschaftlich aufarbeitet. Buch „Hausgeister! Fast vergessene Gestalten der deutschsprachigen Märche und Sagenwelt“, Kurator der gleichnamigen Ausstellung.

15 Uhr – Schamanismus und schamanistische Objekte bei den Tlingit im Südosten Alaskas 

Dr. Claudia Roch (Bremen)

Der Schamanismus war ein wichtiger Bestandteil des Lebens der Tlingit im Südosten Alaskas. Jeder Clan besaß einen Schamanen. Er war Vermittler zwischen dem Diesseits und dem Jenseits, dessen Hauptaufgabe in der Heilung von Kranken bestand. Dabei versetzte sich der Schamane in Trance und rief seine Hilfsgeister um Beistand an. Schamanische Paraphernalia wie Rasseln, Trommeln, Holzfiguren oder Masken zeigen häufig Darstellungen der Hilfsgeister und sollten den Schamanen befähigen, deren Kräfte anzunehmen. Noch immer gelten diese Gegenstände, von denen viele – teilweise auf dubiosem Wege – in Museen gelangt sind, als sehr kraftvoll.

Claudia Roch. Studium der Ethnologie, Journalistik und Religionswissenschaft. Schwerpunkte Mythologie, Religion und Kultur der Indianer Nordamerikas.

16 Uhr – Harpyien und Minotauren

Der Schriftsteller André Schinkel liest neue Texte

Träume und mythische Gestalten spielen seit jeher in den Gedichten und Erzählungen André Schinkels eine wichtige Rolle. Auch Tiere und – zuweilen in Ermangelung eines verfügbaren Wesens – erfundene Tiere flankieren seine Arbeit. In Vorbereitung seiner neuen Bücher „Die Schönheit der Stadt, die ich verlasse“ und „Mondlabyrinth“, die anlässlich seines im April ’22 anstehenden 50. Geburtstags erscheinen sollen, liest der gebürtige Kursachse, der heute in der nicht minder geheimnisumwobenen Stadt Halle an der Saale lebt, aus neuen Skripten.

André Schinkel wurde 1972 in Eilenburg geboren, er lebt in Halle als freier Autor, Lektor und Redakteur. Sein Werk wurde mehrfach geehrt und in 18 Sprachen übersetzt. Seit 2018 ist er Mitglied der Sächsischen Akademie der Künste. Im November 2021 erhält er die Dr. Manfred Jahrmarkt-Ehrengabe der Deutschen Schillerstiftung. Zuletzt: „Schwanengesträuch“ (2020).

Eintritt: 3 EUR pro Vortrag, 8 EUR pro Block, Tageskarte 15 EUR

 
Verbindliche Voranmeldung unter info@vergleichende-mythologie.de. Bitte teilen Sie uns dabei mit, ob Sie eine Einzelveranstaltung besuchen, am Vormittags- oder Nachmittagsblock teilnehmen oder den ganzen Tag kommen möchten. Es gelten die aktuellen Hygienebestimmungen des Budde-Hauses.

Eine Veranstaltung des Arbeitskreises für Vergleichende Mythologie e. V. Gefördert von der Kulturstiftung des Freistaates Sachsen.