Der Mythos Seuche oder: Die Epidemie in der Mythologie

Während uns gerade ein Phänomen und vielleicht schon ein Mythos namens Coronavirus in seinen mephistophelischen Fängen hält und eine goethianische Entschleunigung des gesamten gesellschaftlichen Lebens bewirkt, überschlagen sich Politiker und die sie beratenden Wissenschaftler und Mediziner in einer veloziferischen Orgie von Maßnahmen. Ohne selbst innezuhalten und zu denken, zu reflektieren, so scheint es manchmal. Gefangen in einer weltweiten Dynamik wird die Pandemie eines Atemwegserkrankungen auslösenden Virus, wie sie uns jährlich in Form der Influenza begegnet, zu einer Pandemie der Bewusstseins- und Gesellschaftsveränderung.

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Der Mythos in den Zeiten von Corona – An die Leser unseres Blogs

Jeder Anruf enthält Geschichten heute. Jeder weiß etwas anderes, kennt Fälle, berichtet von Nachbarn, Freunden, von sich selbst, aus der Zeitung, aus dem Internet, kennt jenes Gerücht, diese Zahl. Noch nie ist unserer Generation so deutlich geworden, wie wichtig das Erzählen für uns Menschen ist. So ist es in anderen Seuchenzeiten gewesen, so war es in den Kriegen, in den Umwälzungen von der Französischen bis zur Friedlichen Revolution. Wir stellen fest, dass wir auf solche Erzählungen angewiesen sind: sie helfen uns zur Orientierung, sie trösten oder regen auf, sie lenken ab und unterhalten.

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“Wir sind die Schlangen, die Schlangen sind wir” – Fabelwesen und Schöpfertiere in den Mythen Australiens

Australien. Für uns Europäer der Kontinent am anderen Ende der Welt, den wir u.a. mit Kängurus, Koalas, dem roten Felsgestein des Ayers Rock, dem Great Barrier Reef, der zu Silvester von Feuerwerk umrahmten Oper von Sydney, James Cook, dem Commonwealth und leider auch mit verheerenden Buschbränden in Verbindung bringen. Australien. Das ist auch das Land der Aborigines, seiner Ureinwohner, und es ist das Land der immer noch lebendigen Mythen. 60.000 Jahre (sogar von 120.000 Jahren ist in manchen Quellen aufgrund der Datierung von Felsritzungen die Rede) reicht diese lebendige Kultur mit ihren Traumpfaden zurück.

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Auch Verfluchte dürfen hoffen – Die Sage vom Fliegenden Holländer

Es muss eine scheußliche Überfahrt von Riga nach London gewesen sein, die Richard Wagner im Jahr 1839 auf dem Schoner “Thetis” (benannt nach der griechischen Meernymphe) hinter sich gebracht hat. Nicht nur die überstürzte Flucht vor seinen Gläubigern, sondern auch die Gewalten von Meer und Sturm, die das Schiff beinahe in Seenot geraten ließen, machten aus der Reise ein gefährliches Abenteuer, welches den Komponisten schließlich zur Schöpfung seiner 1843 uraufgeführten “Romantische[n] Oper in drei Aufzügen” mit dem Titel “Der fliegende Holländer” beflügelte. Spätestens seit den Kinofilmen “Fluch der Karibik” dürfte beinahe jeder schon einmal von der “Flying Dutchman” (in dieser Version bezogen auf den Namen des Schiffes) und der untoten Crew um den charismatisch-skrupellosen Kapitän Davy Jones gehört haben, deren Fluch sich auch durch eine äußerliche Verwandlung in Fischwesen vollzieht. Wie das Schiff unter spannungsgeladenem Musik-Getöse die Wasseroberfläche durchbricht, um sich auf die Jagd nach den Lebenden zu machen, lässt den Cineasten wohlig schaudern.

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Wale in der Mythologie der Nordwestküsten-Indianer

Wale spielen in der Kultur von Bewohnern meeresnaher Gebiete und Inseln eine große Rolle. Den Nordwestküsten-Indianern gilt der Wal als ein Wesen mit besonderen und übernatürlichen Kräften. Die südlichen Stämme – Nuu-chah-nulth, Makah, Quinault und Quileute – waren die Einzigen, die die großen Meeressäuger jagten, bevorzugt Buckel- und Grauwale. Andere Kulturen verwerteten lediglich gestrandete Tiere. Die Bedeutung des Wals war nicht nur ökonomisch begründet: Er lieferte auf einmal eine große Menge Nahrung und war auch im sozialen und religiösen Leben verankert. Als kommerzielle Walfänger die Grauwale in den 1920er Jahren fast ausrotteten, gaben die Indianer ihre traditionelle Waljagd auf. Seit 1994 stehen Nordpazifik-Grauwale nicht mehr auf der Liste der vom Aussterben bedrohten Arten. Seitdem versuchen die Nuu-chah-nulth und Makah, ihre Walfangtradition wiederzubeleben.

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Vom ersten Erzählen oder: Wie erobern Mythen die Welt?

Im Sommersemester 2018 hatte ich das Glück, im Anglistikseminar von Prof. Dr. Elmar Schenkel an der Universität Leipzig einem Vortrag zu lauschen, der die anwesenden Studenten ebenso wie einen promovierten Post-Studenten wie mich nicht nur auf Spurensuche zu den Ursprüngen der Mythen, sondern des menschlichen Erzählens überhaupt führen sollte. Unter dem Titel The Origins of the World’s Mythologies stellte der Journalist, Herausgeber und vergleichende Mythologe Christoph Sorger das gleichnamige, 2012 erschienene Buch des renommierten Indologen, Linguisten und Harvard-Professors E. J. Michael Witzel vor. Eine 688 Seiten starke, bisher leider nur auf Englisch verfügbare Lektüre, die nicht nur erkärt, was ein Mythos ist und was diesen ausmacht, sondern die sich gewissermaßen der Ur-Mythologie widmet, jener Frage, die schon Goethe in seinem Faust umtrieb, wenn er eben jenen sagen lässt: “Dass ich erkenne, was die Welt im Innersten zusammenhält”. Witzels ambitionierte und ebenso vielgelobte wie skeptisch resümierte Mythentheorie erklärt das ursprüngliche Beschreiben von Welt und Umwelt, d.h. die Entwicklung von Mythologien, aus der Evolution und Verbreitung von Homo sapiens von seiner Urheimat Afrika aus in mehreren Wanderungswellen über die ganze Welt. Seit jeher liegt es in der Natur des Menschen, Geschichten zu erzählen. Geschichten über höhere Wesen. Geschichten über die Elemente. Geschichten über Himmel und Erde. Geschichten über “trickster deities” (Trickster-Götter), die die göttliche Ordnung durcheinanderbringen, indem sie die aufgestellten Regeln brechen, so wie etwa Prometheus, der den Menschen das Feuer bringt. Und eben jene Geschichten sind es, die den Menschen bei seiner Verbreitung über die Kontinente (Witze verwendet den schönen Begriff “Out-of-Africa-movement”) hinweg begleitet und die sozialen, kulturellen und gesellschaftlichen Strukturen menschlicher Gemeinschaften gefestigt haben.

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