Das ewige Perpetuum: Orffyreus, alias Johann Ernst Elias Bessler

Seitdem der Mensch das Paradies verließ, verbindet sich die Erinnerung daran mit allem, was unmöglich erscheint. Wer das Unmögliche verwirklichen will, muss das Paradies zurück auf Erden holen. Nicht von ungefähr sprechen die Träume der Alchemisten von Dingen, die auch die spanischen Eroberer in Amerika suchten. Sie reden vom Gold und vom ewigen Jungbrunnen, von Elixier und El Dorado, von Vorspiegelungen also des perfekten Zustands, der höchsten Macht, des Paradieses, das uns alles gibt, vor allem aber das Ewige Leben.

Auch die Ingenieure, Techniker und Mechaniker teilen diesen Traum. Der Tod, den es in der physikalischen Welt zu überwinden gilt, heißt Schwerkraft. Vielleicht könnte man aber eben diese Kraft, die alles auf dieser Welt nach unten zieht, in Arbeit zum Wohle der Menschheit umwandeln?

Mit dem Beginn der Neuzeit nimmt der Glaube zu, das Paradies sei, wenn nicht auffindbar, so doch machbar. Die Wissenschaft verbündet sich mit Wunderglauben und Phantasie öffnet ihre Kammern. Maschinen könnten den Menschen vom Fluch befreien, den der Sündenfall ihm eingebracht hatte: „Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen, bis du wieder zu Erde werdest.“ Die Maschine verspricht ein schweißfreies Leben und ist ein Bote der Unsterblichkeit. Die Projektemacher treten auf den Plan, die Maschinenbauer und Konstrukteure. Maschinen sollen nicht mehr nur wie im Mittelalter Burgen belagern können oder Dinge transportieren, wobei sie dazu von Tieren gezogen oder von Wind und Wasser angetrieben werden. Vielmehr lautet die neue Formel: die Maschinen sollen sich selbst bewegen. Das Auto-Mobil ist geboren, zumindest in der Phantasie. Leonardo da Vinci spricht von solchen selbstbewegenden Wagen und der sächsische Erfinder Melchior Bauer bietet 1763 dem englischen und preußischen König einen „Cherubwagen“ an, welcher sich wie der Feuerwagen des Propheten Ezechiel bewegen soll.  

Naturbeherrschung allein reicht jedoch nicht aus für eine Rückkehr ins Paradies. Man muss vielmehr die Naturgesetze selbst aushebeln, den archimedischen Punkt finden, um den sich die Natur dreht. Und es gibt eine Maschine, die dies kann: das Perpetuum Mobile. Es gibt sie zumindest im Reich der Ideen. Wer sie in die Wirklichkeit umsetzen kann, wird der Welt das Paradies zurückgeben. Wir können sie so definieren: das Perpetuum Mobile ist eine Maschine, die, einmal angestoßen, sich ohne weitere Zufuhr von Energie unbegrenzt weiter bewegt.

Warum drehen sich Sonne, Mond und Himmelskörper endlos umeinander? Sie müssen solche selbstbewegten Maschinen seien, oder wenigstens die Kristallscheiben, an die sie geheftet sind. Wie die Alchemistsen sahen sich die Erfinder des Perpetuum Mobile gerne in einer uralten Tradition stehen, die von der fernen Antike bis in ihre Gegenwart, ja bis in die unsere reicht. So schrieb der Heilige Augustinus, im Tempel der Venus habe eine ewige Lampe gestanden, die ohne jede Ölzufuhr endlos brannte. Im Grab der Tochter Ciceros will man eine solche Lampe gefunden haben. Claudianus berichtet, Archimedes habe eine Kugel gebaut, in der sich ein Himmelsgewölbe immerwährend drehe. Es sei von Geistern angetrieben worden, die Archimedes im Inneren eingeschlossen habe. Dies ist der einzige Hinweise aus einer Zeit, die allerdings große Fortschritte in der Mechanik aufzuweisen hat. Heron von Alexandrien baute singende Statuen, Mechanismen zur automatischen Betätigung von Tempeltüren sowie den Vorgänger der Dampfturbine. Viele der späteren Konstrukteure von Automaten und Androiden haben sich für das Perpetuum Mobile interessiert. Es musste ihnen als Fortsetzung all jener nickenden Adler, lilienspeienden Löwen und automatischen Diener erschienen sein, wie sie Albertus Magnus oder Leonardo erdachten und wie sie an den Höfen der Kaiser und Päpste zu Beginn der Neuzeit zu sehen waren. Eine weitere Mitteilung über eine fortlaufend bewegte Maschine kommt aus dem Land, in dem zeitliche Zyklen von immenser Dauer wichtige Bestandteile des Weltbildes sind, aus Indien. Der Dichter, Astronom und Mathematiker Bhaskara verfasste im Jahre 1150 n.Chr. ein Gedicht, in der er ein ewig sich selbst drehendes Rad beschreibt. Der erste Europäer, der an einem Perpetuum Mobile arbeitete, war im ausgehenden Mittelalter der französische Architekt Villard de Honnecourt. Neben Sägemaschinen und Schraubenwinden baute er ein selbstdrehendes Rad, das mit Schlegeln versehen war. Die Blütezeit der Perpetua setzt aber erst um 1690 bis 1750 ein, als man begann, das Universum selbst als ein großes Uhrwerk zu begreifen, das, einmal in Bewegung gesetzt, unaufhörlich arbeiten würde. Wenn diese große Uhr beständig tickt, sollte es doch möglich sein, eine kleine Uhr ebenso ständig ticken zu lassen. Könnte man die Schwerkraft richtig einsetzen, so wäre eine solche Dauermaschine möglich. Athanasius Kircher versuchte, dies theoretisch zu begründen. Der Marquis von Worcester (1601-1667) will neben dem Fliegenden Mann und dem Segelwagen ein Perpetuum gebaut haben, das er dem König und seinem Hof unter großem Hallo im Tower vorführte. Auch der Entdecker der Sonnenflecken, der Jesuit Christoph Scheiner, arbeitete am Perpetuum. Der Erfolg war jedoch mit einfachen Geräten nicht zu erreichen, und so begann man Räder an Räder, Pendel an Pendelsysteme, Gestänge an Schraubenwinden zu koppeln, Magneten einzusetzen oder hydraulische Anlagen zu errichten. Die Objekte wurden immer aufwendiger und komplizierter. Doch haftete ihnen etwas Monströses, gar Diabolisches an. Dass sich gerade viele Jesuiten unter den Erfindern befinden, dürfte unter anderem mit der Gegenreformation zusammenhängen, die, wie im Falle Kirchers zu sehen, Maschinen für den Schrecken baute, um die Menschen durch Furcht wieder in die Herde der Gläubigen zurückzubringen. Aber auch in China hatten sich die Jesuiten als fähige Mechaniker am Kaiserhof erwiesen, denn ihr Orden gab der neuen Wissenschaft und Technik einen gewissen Spielraum. Neben mechanischen wurden sogar chemische Perpetua entworfen, doch bleiben die Bestandteile im Dunkeln und erinnern an die geheimnisvollen Vorschläge, einen Homunculus herzustellen. Die Projekte sind allesamt von Nebel umgeben, der das „große Geheimnis vor der bösen Welt“ verwahren soll, wie es der Erfinder eines magischen Perpetuum im Jahre 1745 formulierte.

Vor diesem Hintergrund ist die Geschichte des Johann Ernst Elias Bessler (auch Beßler) zu sehen, der sich Orffyreus nannte. 1680 wurde er bei Zittau als Sohn eines Bauern geboren und zeigte früh eine große Begabung für Mathematik und Mechanik. So kam er auf das Gymnasium, zog dann durch die Lande, bereiste Böhmen, Mähren und Österreich, arbeitete als Maler, Uhrmacher, Glasbläser, Kupferstecher und Astrologe. Mit seinen Talenten kämpfte er sich durch widrige Lebensumstände und war dabei oft zum Verhungern arm.  Einmal wurde er von einem Kloster aufgenommen und wieder aufgepäppelt. Hier musste er einen Apparat gesehen haben, der ihn auf die Spur brachte. In den Klöstern und Wirtshäusern war seit einiger Zeit der automatische Bratenwender sehr beliebt, bei dem der Braten durch die aufsteigende Hitze stetig rotierte. Möglicherweise roch Bessler hier einen, nämlich seinen Braten. Er war ein vielseitiger Mann und lernte von Orgelbauern, Tischlern und Schlossern. Eines Tages traf er einen Alchemisten, der ihn in die Geheimnisse der Zunft einführte. Er ließ sich zudem in die jüdische Geheimlehre der Kabbala einweihen und lernte Hebräisch. Zu dieser Zeit, um 1717, legte er sich auch einen neuen Namen zu: Orffyreus. Die Buchstabenmystik der Kabbala mag ihn dazu bewogen haben, seinen Namen zu ändern oder besser zu vergolden. Als „Orffyreus“ enthielt er nun Gold, frz. or, das lat. aurum, Gold also. So verhalf ihm die Magie der Sprache zu einem vielversprechenden Neubeginn. Um auf diesen Namen zu kommen, soll er ein Buchstabenspiel durchgeführt haben. Er legte die Buchstaben des Alphabets in zwei Reihen oder in einen Kreis gegeneinander über, so dass A und N sich als Eckpunkte in Opposition lagen. Von den Buchstaben des alten Namen „Bessler“ zog er sodann Linien zu den gegenüberliegenden Buchstaben und erhielt „Orffyre“. Von diesem Namen aber ging eine ganz andere Ausstrahlung aus.

 Sein Leben blieb zunächst noch unauffällig, er zog weiter im Land herum trat als marktschreierischer Quacksalber auf. Schließlich aber kam der erste Erfolg. Im Erzgebirge, in Annaberg, gelang es ihm, die Tochter des Bürgermeisters zu heilen. Der Bürgermeister war so dankbar, dass er ihm seine Tochter zur Frau gab. Jetzt schien sich ein gewisser Wohlstand einzustellen. Orffyreus konnte endlich jenes Gerät bauen, auf das seine ganze Studien hinführten, ein Perpetuum Mobile. Es war klein und wurde kaum zur Kenntnis genommen. Einige glaubten wohl daran, andere fanden es lächerlich. Wie auch immer, Orffyreus war nicht zufrieden und zerstörte das Modell. Die Familie zog nach Draschwitz bei Zeitz, wo er die Maschine vergrößerte, denn er wollte die Zweifler belehren, die da behaupteten, das sei im Kleinen alles ganz schön und gut, aber im Großen würde es nicht funktionieren.

 Wir hören wieder von ihm, als er in Gera und Merseburg mit großen Maschinen auftritt, von denen er behauptet, sie seien Perpetua Mobilia. Die Maschine in Merseburg erregt einiges Aufsehen, die Für und Wider prallen heftig aufeinander. Die Maschine ist grün lackiert, damit niemand hineinsehen kann. Die Prüfer finden keine Antriebsmöglichkeiten wie Wind, Wasser, Triebfedern, Quecksilber oder ähnliches. Ein Leipziger Mathematiker behauptet, in der Maschine sei nichts als ein Bratenwender versteckt. Ein Maschinenbauer vermutet einen verborgenen Strick, an dem die Maschine von außen her bedient werde. Ein Uhrmacher aus Dresden will die Maschine schon vor Orffyreus erfunden haben. 1715 erscheint in Leipzig ein Buch mit dem Titel: Gründlicher Bericht Von dem Durch den anitzo zu Merseburg sich befindenden Mathematicum Herrn Orffyreum Glücklich inventirten PERPETUO ac per se MOBILI nebst dessen accurater Abbildung Wie solches seit dem Monath Junio dieses 1715ten Jahres zu gedachten Merseburg von einer großen Menge Hoher Standes-Personen, gelehrter Leute, Künstler und Curiosorum in Augenschein genommen, und genau examiniret, auch allda noch zu sehen ist.
Hier macht er einige Andeutungen zu seinem Leben, über „tausenderlei Troublen“, die er erlitten, über seinen „unermüdeten Fleiß, Eyfer und Begierde auf Erlangung nutzbarer und sublimer Wissenschaften.“ Er erwähnt Reisen in fremde Länder, Aufenthalte an ausländische Akademien und Besuche bei berühmten Künstlern und Gelehrten. Zehn Jahre habe er nachgedacht, ohne sich etwas anmerken zu lassen. Wenn sich die nun vorgestellte Erfindung gut verkaufe, werde er Kupferstiche nachliefern, auf dass jeder sich überzeugen könne von der Korrektheit seiner Maschine.
Die Zahl seiner Gegner steigt an, trotz aller positiven Zeugnisse. In Leipziger Zeitungen veröffentlicht Orffyreus Anzeigen, die seine Kritiker zu Wetten herausfordern. Er führt seine Maschine vor dem Herzog von Sachsen, Physikern, Mathematikern, Advokaten und Geheimräten vor. Man untersucht die Kammer und die umliegenden Räume, die Wände, Türen und Fenster, doch kann keine Hinweise auf faule Tricks finden. So bestätigen ihm diese Männer mit einer Urkunde das einwandfreie Funktionieren seiner Maschine. Sie läuft sechs Tage lang ununterbrochen.

Im selben Jahr erscheint eine Gegenschrift von Johann Georg Borlach, der sich Kurtze Gedanken macht, was ein Perpetuum Mobile sei. Seine These lautet, nichts kann sich von selbst bewegen, denn alles wird von außen bewegt. „Die Herren Perpetuo-Mobilisten“ seien auf dem Holzweg. Der Mathematiker Wagner nimmt sich in einer weiteren Schrift der Orffyreischen Maschine im Besonderen an und publiziert einen Stich, der einen Mann in einem Raum neben dem Perpetuum Mobile zeigt. Dieser Mann zieht an einem Strick, der durch einen Pfosten von der Maschine über die Decke nach außen geleitet wird. Merkwürdig, so Wagner, sei ja wohl, dass Herr Orffyreus sich nicht in seine Karten schauen lassen wolle. Außerdem behaupte er, schon Christus hätte von einem Perpetuum Mobile gesprochen, doch wo eigentlich? In seiner nächsten Gegenschrift aus dem Jahre 1716 schreibt Wagner von einem Besucher, der auf Weihnachten sich die Maschine angeschaut habe und feststellen musste, dass sie immer langsamer wurde und endlich stehenblieb. Die Leichtgläubigkeit der Gelehrten beweise überhaupt nichts. Seine Gegner wollen mit Orffyreus um 1000 Reichstaler wetten, dass er keine Maschine bauen könne, die vier Wochen ohne Energie laufe und siebzig Pfund hebe. Das Aufsehen in Merseburg ist jedenfalls groß und Orffyreus, immer auch Geschäftsmann, nutzt die Gunst der Stunde und bringt eine Geldbüchse an die Maschine an. Alle Erträge sollen für wohltätige Zwecke abgeführt werden. Daran will nun auch die Stadt Merseburg verdienen und erhebt eine Tagessteuer von sechs Pfennig. Orffyreus gefällt das gar nicht und so zieht er bald nach Westen, wo man ihm geneigter zu sein scheint.

Der Landgraf von Hessen-Kassel, ein Freund der mechanischen Künste, hat das sächsische Genie an seinen Hof eingeladen. Am 12. November 1717 ist es soweit. Die Maschine, das berühmte Rad von Kassel, wird in einem Schloßzimmer in Gang gesetzt. Anwesend bei diesem feierlichen Akt sind der kaiserliche Architekt Fischer von Erlach sowie der Leidener Physiker Willem Jacobus s’Gravesande, ein Freund und Schüler Isaac Newtons. Das Zimmer wird versiegelt und zwei Wochen lang bewacht. Am 26. November läßt der Graf unter Zeugen das Zimmer wieder öffnen, und siehe da, das Perpetuum Mobile dreht sich immer noch unvermindert schnell. Man wiederholt den Vorgang, diesmal auf vierzig Tage, aber am 4. Januar 1718 dreht es sich immer noch. Bei einem weiteren Versuch wird das Zimmer zwei Monate versiegelt. Doch auch dieses Mal kann nur die dauernde Bewegung bestätigt werden. s’Gravesande schreibt 1721 in einem Brief an Newton, wie sehr er dieses Kassler Rad bewundere. Allerdings scheint auch der holländische Experimentalphysiker leichtgläubig zu sein. Das Innere der Maschine darf er nicht untersuchen. Er fragt den Landgrafen, ob er nicht an einen Betrug glaube. Der Landgraf aber meint, es handle sich nicht um einen Betrug, und damit ist das Problem für s‘ Gravesande erledigt.

Auch aus anderen Ländern melden sich Interessenten. Ein Engländer etwa will die Maschine für gutes Geld kaufen. Doch die Kunden wollen sich zuvor den Apparat genau ansehen. Herr Orffyreus erträgt dies Misstrauen nicht, läßt sich krank melden und droht gar, seine Maschine zu zertrümmern. Großes Interesse zeigt vor allem der Zar. Peter der Große lässt einen Bericht über die Maschine anfertigen und schickt einen Bibliothekar, der sie für seine Wunderkammer in St. Petersburg kaufen soll. Er erbittet sich von den Universalgelehrten Leibniz und Wolff eine Beratung. Leibniz ist ablehnend, Wolff sieht etwas Vielversprechendes. Es bleibt bei Verhandlungen und hohen Geldforderungen seitens des Erfinders. 1725 plant der Zar eine weitere Europareise, auf der auch das Kassler Rad sehen will. Doch sein Tod kommt ihm zuvor.

1718 meldet Orffyreus sich wieder mit einer Schrift, diesmal mit einer neuen Nachricht von der curieusen und wohlbestandenen Lauff=Probe des Offyreischen Perpetui Mobilis auf der Burg Weißenstein bei Kassel. Diesmal soll die Maschine volle acht Wochen gearbeitet haben und dabei einen schweren Kasten mit Steinen außen an der Schloßmauer hochgezogen haben. Die Wette habe er somit gewonnen: „Widrigen Falls sich aber ja annoch die Chaldäischen, Aegyptischen, Zanck- und Groll=Süchtigen abentheuerliche Wetter fernern lästerlichen Zweiffels rühmen wolten; NB. So soll hiermit ihrem Geld=Beutel endlich einmahl hinterbracht seyn, daß die in Druck gegebene so höhnische Wette nunmehro eingegangen werden soll.“ Der Landgraf von Hessen-Kassel beurkundet das einwandfreie Laufen der Maschine, die „ein solches selbst laufendes Rad sei, welches von seiner innerlichen künstlichen Bewegungskraft so lange laufen kann, als an besagter innerer Struktur und Beschaffenheit nicht abnimmt, zerdrümmert, reißet oder gebricht, mangel= oder schadhaftig wird.“

Ein Jahr darauf eine weitere Schrift, pompöser und selbstgefälliger als alle früheren: Das Triumphirende Perpetuum Mobile Orffyraneum an alle Potentaten/ hohe Häupter/ Regenten und Stände der Welt.

Das Buch, in Deutsch und Latein geschrieben, enthält vier Widmungen: Gott, „dem höchsten Verleiher“, dem Publikum, den Gelehrten und dem Erbauer der Maschine selbst. Gott dankt er dafür, von allen Erdenkindern auserwählt worden zu sein, eine solche Wundermaschine zu bauen. Er bittet ihn um Gnade für seine Feinde, die „sein emergirendes Glück zu Boden gestoßen haben“. Dem Publikum, den Fürsten und Ständen, preist er seine Erfindung, die nun alles erledigen kann, wozu einst Wasser, Wind und Tier nötig waren. Er kennt die Zeichen der Zeit und weiß, in welcher Richtung die Zukunft liegt: der Befreiung des Menschen von räumlichen und zeitlichen Bedingungen. Dafür könnte die Maschine taugen. Sie ist nämlich völlig unabhängig von ihrer Umgebung und hat daher eine „unendliche Applicabilität.“ Man kann Mühlen mit ihr betreiben, Bergwerke auspumpen, Förderkörbe heben und Sümpfe austrocknen, aber auch Lustgärten animieren mit Wasserspielen. Die Gelehrten grüßt er als „Mitbrüder und Herren Antagonisten“ und bedauert sie, dass sie leider nicht „Mütter dieses von mir edirten Foetus ingenii“ geworden seien. In seiner grenzenlosen Demut vergleicht er sich mit dem Heiland, der als Kind im Stall geboren wurde. So sei auch er nur ein kleiner Gelehrter, der sich selbstverständlich nicht mit Leibniz, Galilei oder Descartes messen wolle. Gegen gutes Geld, denn er müsse kaufmännisch denken, bietet er nun seine Maschine den Societäten und Republiken an, ebenso den Klöstern und Adelshäusern wie den Städten und den Gewerkschaften. Für ein entsprechendes Honorar – einhunderttausend Reichstaler seien nun wirklich nicht zuviel verlangt – wird er ein Modell anfertigen: nebst genauer Beschreibungen aller Geräteteile. Um den Aufbau zu bewerkstelligen, werde er eigens dafür ausgebildete „habilitirte Künstler“ zum Kunden schicken. Es folgen weitere Atteste von der Gräfin, die von verschiedenen Baumeistern, Mechanikern und Mathematikern unterzeichnet werden. Seinen Feinden billigt der Erfinder nur „unter-irrdischer Klugheit“ zu. So da seien: Gärtner, ein Schreiner aus Dresden, Borlach, von Beruf ein müßiger Müller und Christian Wagner, ein Student aus Leipzig. Diese „eigennäsigen Ehrendiebe, Duckmäuser und Schnarcher“ haben „Schmäh-Kupfer in großer Menge durch die Welt fliegen lassen.“

Auf einem solchen Kupfer von Borlach sehen wir einen Mann, der die Maschine aus einem Nebenraum mit Hilfe eines Stricks, mit „sophistischen Strick-Zügen“ bedient. Doch habe ja die Umsiedlung des Kunstrades in Merseburg gezeigt, dass an dem nichts sei. Derweilen baut Christian Wagner in Leipzig einen Bratenwender, um nachzuweisen, wie Orffyreus‘ Rad wirklich funktioniert.

 Aber dann wurde das „Geheimnis, das von Fürsten und Gelehrten nicht enthüllt werden konnte […] durch die Indiskretion einer Dienstmagd ausgeplaudert“, schreibt Frida Ichak in ihrer Geschichte des Perpetuum Mobile. Der verborgene Mechanismus, den niemand entdeckt hatte, war demnach menschliche Arbeitskraft. Orffyreus soll seinen Bruder und eine Magd mit zwei Groschen pro Stunde für Dreharbeiten bezahlt haben. Als der Bruder eines Tages verschwand, packte die Dienstmagd aus. Sie hatte vorher schon einmal geplaudert, woraufhin sie der Erfinder zu einem Eid zwang, den sie unterschreiben musste:

Ich, Anna Rosine Mauersbergerin, die ich hier stehe, ich schwöre bei Gott dem Allmächtigen diesen leiblichen Eid an Euch meinen angehörigen Herrn, Johann Elias Orffyré, schwöre teuer und mit gutem Vorbedacht bei dem dreieinigen Gott, daß ich von dieser Stunde an bis in meinem Tod, ja in Ewigkeit, von Euch, meinem bisherigen Herrn, der Ihr hier vor mir steht, nichts Böses reden, schreiben und zeigen und zu einiger Kreatur, sie lebe oder sie lebe nicht, von Eurem Thun und Lassen, Künsten und Geheimnissen etwas entdecken, offenbaren, reden oder schreiben, sondern alles und jedes, was ich weiß, und bei Euch geheimes gesehen oder gehöret, ich in mir verschwiegen und verborgen halten will, so wie Ihr von mir begehret […] Ich will vor Gott und Menschen, vor zeitlichem und ewigem Gericht zeitlich und ewig verflucht, verdammt und verloren sein, wofern ich mit Vorsatz, Wissen und Willen von Euch und Euren Geheimnissen, Künsten und Sachen gegen Jemanden etwas offenbare, sage und entdecke […]Amen. Amen.

Was wirklich geschah, wissen wir letztlich nicht. Vielleicht ist die Aufdeckung der Magd ein weiteres Rätsel, denn wie können die beiden ungesehen ihre Arbeit verrichtet haben, wenn die Gelehrten alle Zugänge und Verbindungen zum Maschinenraum überprüft haben, darunter so große Wissenschaftler, Architekten und Mechaniker wie oder Fischer?  ‘s Gravesande hörte von dem Vorwurf des Betrugs, aber er hielt den Trick mit der Magd und dem Bruder für undurchführbar. Doch mit der Auflösung des Betrugs waren die Feinde zufrieden, so wie die Skeptiker in unserer Zeit befriedigt sind, wenn sich zwei Rentner melden, die behaupten, die mysteriösen Kornkreise gelegt zu haben. Orffyreus jedenfalls zerschlug in einem Wutanfall seine Maschine und schrieb in zornigen Lettern an die Wand, das habe er getan, weil der Professor s‘ Gravesande so neugierig gewesen sei. Das klingt wie Rumpelstilzchen, der seinen Namen nicht entdeckt haben wollte und in ein Erdloch verschwand. Orffyreus soll 1727 versucht haben, die Maschine wieder aufzubauen. 1738 ließ er drei Erfindungen vermelden, die er gemacht habe: Eine ewige Fontäne auf stillem Wasser, eine Orgel, die sich selbst spielt und ein Orffyreisches Schiff, mit dem man jeden Schiffbruch überlebt. Auch ein Unterseeboot wird angekündigt: Der durch allmächtigste Wundermacht ohnmächtig gemachte Neptunus. 1744 sehen wir ihn noch einmal an einer Maschine arbeiten, diesmal für den König von Preußen, und zwar an einer viereinhalb Stockwerk hohen Windmühle in Fürstenburg. 1745 starb er im Alter von 65 Jahren während der Arbeiten an der Windmühle.

Ein englischer Querkopf, Dr. William Kenrick, veröffentlichte einen Traktat, in dem er Orffyreus‘ Maschine rehabilitieren wollte. Die Kritiker haben seine Unleserlichkeit beklagt. Spätere Perpetua, die mit versteckten Energiequellen gearbeitet haben, haben das Kasseler Rad rückwirkend in Verruf gebracht, so Redhoeffers Maschine, die 1813 in New York ausgestellt wurde. Kritische Kunden stießen auf dünne Seile aus Katzendarm, die unter den Fußboden hindurch in eine Dachkammer führten, wo ein alter Mann das Rad bediente.

1775 gab die Pariser Akademie bekannt, dass sie keine Vorschläge für ein Perpetuum Mobile mehr untersuchen werde. Die Begründung für die Unmöglichkeit eines Perpetuum wurde einige Jahrzehnte später geliefert mit dem Zweiten Hauptsatz der Thermodynamik. Während der Erste Hauptsatz besagt, dass das Quantum an Energie in einem geschlossenen System immer gleich ist, sagt der zweite, dass bei jeder Form von Arbeit Energie abgegeben wird. Von nichts kommt nichts und das Obst, das einmal zur Marmelade gemacht wurde, lässt sich nicht mehr in Obst verwandeln – oder nur unter größtem Aufwand an zusätzlicher Energie.

Danach war es also geschehen mit den Wunschmaschinen, die uns vorgaukeln wollten, das Paradies sei auf Erden machbar. Doch diese Botschaft drang nicht überall durch, denn der Mensch liebt seine Träume. Bis heute scheint Orffyreus‘ Geheimnis Menschen anzuziehen. Einige Webseiten kultivieren sein Andenken und philosophieren weiter über das „Bessler Wheel“. Der britische Ingenieur John Collins etwa ist überzeugt, daß Orffyreus nicht betrogen hat (www.free-energy.co.uk). Die Gerüchte um weitere ewige Räder lassen nicht nach: In Norris, Tennessee, soll es ein solches Perpetuum geben, aus dem der Erfinder Asa Jackson zur Zeit des amerikanischen Bürgerkriegs allerdings Teile entnahm, um die Funktionsweise zu verschleiern. In Florida steht das Coral Castle, dessen Bauteile aus Korallenfels bestehen und einzeln bis zu 30 Tonnen wiegen. Der Bauherr war zwergwüchsig und man rätselt bis heute, wie er die Felsen bewegt haben mag.

Der amerikanische Bastler Joe Newman führt seit Jahren einer leicht zu beeindruckenden Fernsehwelt vor, wie er mit einer kleinen Blitzlichtbatterie seinen Straßenkreuzer betreibt. Er fühlt sich wie manch andere Erfinder von Wunschmaschinen von Gott ausgewählt, auch wenn sich herausgestellt hat, dass die eine Batterie sich in Gesellschaft von 1806 anderen befindet.

Ein Beitrag von Prof. Elmar Schenkel


Literaturhinweise:

Rupert T. Gould, Rupert, Oddities. A Book of Unexplained Facts. New York: University Books 1965, S. 89-116.

Frida Ichak, Das Perpetuum mobile. Leipzig, Berlin: Teubner 1914.

Michal, Stanislaw. Das Perpetuum Mobile gestern und heute. Düsseldorf: VDI-Verlag 1981. 

Kalka, Joachim. „Beßlers Perpetuum mobile: eine kleine Phantasmagorie aus dem achtzehnten Jahrhundert“, in Phantome der Aufklärung. Von Geistern, Schwindlern und dem Perpetuum Mobile. Berlin: Berenberg 2006, 9-29.

Park, Robert, Fauler Zauber. Betrug und Irrtum in den Wissenschaften. Hamburg: Europa Verlag 2002.

Internet: www.besslerwheel.com/ Zugriff 1.5. 2020


© Arbeitskreis für Vergleichende Mythologie e. V.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahren Sie, wie Ihre Kommentardaten verarbeitet werden.