Anfang der 1990er Jahre saß eine alleinerziehende Mutter regelmäßig in einem Café in Edinburgh und schrieb einen Roman, der den Auftakt zu einer Serie bilden sollte, die bis heute die erfolgreichste im Kinder- und Jugendbuch ist. J.K. Rowling wollte schon als Kind schreiben, und nun erfand sie einen Zauberlehrling, der sich in die Herzen aller nachgeborenen Kinder einschleichen sollte: Harry Potter. Ein Märchen, nicht nur wie die Bücher entstanden sind, sondern auch der Erfolg, der ihnen zuteil wurde. Und auch dieser Erfolg ist ohne das Märchen nicht denkbar, denn die Bücher stehen in einer europäischen oder auch weiter greifenden Märchenordnung. Hier wie dort gibt es Böse und Gute, Verwandlung, Verzauberung, Fabelwesen, Monster, dunkle Mächte, magische Objekte, Schloss, Nacht und Angst sowie Erlösung und Erleichterung, wenn das Böse einmal wieder überwunden ist. J.K. Rowlings Phantasie lebt wie alle erzählenswerten Geschichten von Archetypen, von Urmodellen der Darstellung, in denen Namenloses benennbar wird, von weisen, guten oder bösen alten Frauen oder Männern, von armen Tieren und geizigen Menschen, von ehrsüchtigen Königen und Dummköpfen, die klüger sind als die für klug Gehaltenen. Mit anderen Worten: noch und vielleicht erst recht in Zeiten der Digitalisierung, die alles, was irgendwo geschehen ist, in einem Nu global machen kann, zählen solche alten Muster. Nach ihnen ordnen und erkennen wir die Welt weiterhin, ob in der einen Realität des Computers oder in der anderen, die wir analog auch weiterhin bewohnen werden. Da die Welt so groß geworden ist, müssen wir vieles klein halten, um ihr noch standzuhalten.
„Im Bann des Zauberdrachen: Über rumänische Märchen und Märchen überhaupt“ weiterlesenVom Zauber „Weißer Göttinnen“ und „Flüsterhexen“
Handauflegen, Zauberei und oft der Hexerei beschuldigte Wunderheiler erleben vor allem in Zeiten gesellschaftlicher wie individueller Verunsicherung und verspürter innerer Leere ein wachsendes Interesse. Dazu gehören übernatürliche Phänomene wie Magie, Wunderheilung und Wahrsagen, die alle insgesamt eine Art Flucht aus einer immer weniger durchschaubaren realen Welt ins Übernatürliche, Irrationale, Mythische versprechen.
„Vom Zauber „Weißer Göttinnen“ und „Flüsterhexen““ weiterlesenMagische Begegnungen, oder: Vom realen Zauber einer Ausstellung
„Der menschliche Geist ist allein der Vollbringer wunderbarer Werke, dass er sich mit einem jeden Geist, mit welchem er will, verbinden mag, und wann dies geschehen, so tut und wirkt er, was er will. Deshalb soll man in magischen Sachen vorsichtig handeln, damit einem die Sirenen und andere Monstra nicht betrügen, welche gleicher Weise mit den Menschen Gemeinschaft zu machen begehren. Daher berge sich ein rechter Magier allezeit unter den Flügen des Höchsten und lasse sich nit von den brüllenden Löwen verschlingen, denn die, welche nach weltlichen Dingen begierig sind, können schwerlich des Satans Stricken entfliehen.“
(Liber Arbatel, Basel 1575, Aphorismus XXXV)
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