Anathema! Der verfluchte Bücherdieb – Bücherflüche im Mittelalter

Vortrag von Leonhard Lietz

Jeder Bücherfreund und Liebhaber des gedruckten Wortes kennt die Problematik des Buchverleihs: Den, der sich Bücher ausleiht, trennt oft nur ein Schritt vom Dieb, nämlich jenen, den er macht, um es zurück zubringen. Für die Mönche des Mittelalters bedeutete das Verschwinden einer Handschrift oder Buches, neben dem hohen materiellen Wert, den Verlust wochen- wenn nicht gar monatelanger Arbeit. Halfen bewährte Schutzmaßnahmen, wie das Anketten der Bücher (sog. Catenati libri, dt. „angekettete Bücher“) nichts, griff man zu drastischeren Mitteln: Der Eigentümer des Buches verfluchte den Bücherdieb! So ziert das Ende eine Handschrift aus dem 13. Jahrhundert die Wortwahl: „Der dies wegträgt, soll es mit dem Tode büßen und in der Hölle gesotten werden; Fallsucht und Fieber sollen ihn plagen; aufs Rad geflochten und gehenkt soll er werden!“.

Die kreativen Ideen, humorvollen Sinnsprüche und bissigen Verwünschungen, die sich mittelalterliche Schreiber zum Schutz ihrer Schriften einfallen ließen, zeugen bis heute von Einfallsreichtum der Verfasser, aber auch von einem tief verwurzelten Glauben an übernatürliche Kräfte, welche dem Bücherfreund in der Not beistehen.


Leonhard Lietz

Leonhard Lietz ist Germanist und Kulturhistoriker. Zu seinen Schwerpunkten zählen u.a. vergleichende Kulturgeschichte, Mythologie und Magiestudien. Aktuell arbeitet er an seiner Dissertation über Agrippa von Nettesheim.