Das Aufflackern in der Dunkelheit. Eine Seitenführung zu Novalis‘ Hymnen an die Nacht

Unendlich und geheimnisvoll
Durchströmt uns süßer Schauer –
Mir deucht, aus tiefen Fernen scholl
Ein Echo unsrer Trauer.
Die Lieben sehnen sich wohl auch
Und sandten uns der Sehnsucht Hauch.

Novalis, Hymnen an die Nacht VI, 9

Ich erinnere mich an einige Sternstunden der Germanistik, ich war damals noch nicht lange eingeschrieben an der halleschen Alma mater und verdanke sie meinem Dozenten Rüdiger Ziemann, bei dem ich neben Seminaren zu Goethe und Nietzsche auch eines zu Novalis belegte. Es waren spärlich besuchte Seminare, schon zu Beginn der neunziger Jahre galt die Lyrik auch im akademischen Bereich als verrufenes Zauberzeug.

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Reise im Traum, oder: An Dante denken

Dinanzi a me non fuor cose create

se non etterne, e io etterno duro.

Lasciate ogne speranza, voi ch’intrate.

Divina Commedia, Inferno III, v. 1–9

So in der Mitte des Lebens gestrandet, Bewegung im zweiten, bedrohlich sich einkürzenden Drittel, wird unsere Angst „ein wenig stille“, ist das so? Vor uns die krümligen Schaluppen des Abstiegs, die gebogenen Horizonte des brennenden Sands, der lodernden Brandung, durch die lonza, in Pantherscheckung, verschwindend greint und schimmert. Wollüstig biegt sich der Blick der Bestie gegen uns, die wir uns mit Chemikalien behelfen, nicht zu versagen. Aus der eigenen Tiefe schöpfen: Das haben wir lange verlernt, haben’s aber nicht vergessen. Einzig, wir sind die Hindernisse, die wir uns selbst stellen, im Fleisch, in den Gedanken, in der Bemessenheit unserer Zeit und daß wir sie nicht wahrhaben mögen. Ja, es ist der gemähnte Hochmut, grollend und miauend, und die borstige Habgier, die uns, die Völker (kein, wie es der zänkische Schwabe verhieß, Schweigen, kein Schlummern) ins Verderben stürzt, wieder und wieder – eine Wölfin, die uns von der Läuterung abhält grausam und kalt. Keine Sonne. Schweigen, wo ihr Strahl fehlt.

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Apophis – Schlange, Schildkröte, Sandbank Oder: Von der Dunkelheit

Die dunkle Jenseitsschlange Apophis, wie sie die schwarzen Sandbänke der Zeit Nacht für Nacht gegen die Götterbarke wirft, sich hütend vor den Klingenblicken von Tefnut und Seth. Wie sie ihre Schlingen gelegt hat durch die Stunden des „Amduat“, um die Toten stolpern zu machen auf ihren Wegen in die Rechtschaffenheit des nächsten Raums, die Blüten der anderen Welt, auf die man ein Leben wartet. Ist es der Gott aus den westlichen Wüsten, der sie unter den Kiel stupst, die Götterkatze, die einst ihren Kopf gewinnt, aus dessen Verlöschen ein ruhiges und ungestörtes Paradies rührt? Man kann es nicht sagen, man weiß es erst, wenn es geschieht und man noch nicht ahnt, was dem vermodernden Fleisch des Reptils dann entspringt – aber versuchen will und muß man es auf seiner Reise durch die Nacht, in kätzischer Eleganz, das Messer der Pupillen fest in den Pranken. Es kann nicht mehr schlechter werden.

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