Die Mythen und ihre Abgründe: Marie Luise Kaschnitz‘ Nacherzählung der griechischen Mythen

Wie wichtig ist es doch, bei der Reflexion über Bücher und Texte mit zu bedenken, unter welchen Umständen man sie gelesen (oft auch: nicht) gelesen oder abgebrochen hat. Das ist der eigentliche Geschmack von Literatur: der Blick aus dem Fenster der Bahn, der Kaffee, der Liebeskummer, Ablenkung von Schmerzen, böser Politik oder auf dem Sofa, im Bett, im Grünen. Die Dinge prägen sich anders ein, man kehrt anders zu ihnen zurück in der Erinnerung, sie bleiben stärker haften. Deutlich wurde mir dies wieder einmal bei den griechischen Mythen, die Marie Luise Kaschnitz in ihrem gleichnamigen Buch nacherzählt hat. Ich nahm mir immer eine Erzählung vor, fuhr zu einem Bäcker in der Nähe und las dort, während Kunden Brötchen und Kuchen kauften, ein Frauenstammtisch sich akustisch verbreitete oder ein Mann des Ladens verwiesen wurde, diese Mythen. Es war ein Akt der Versenkung. Vielleicht ahmte ich damit – noch unbewusst und unter ganz anderen, fraglos besseren Umständen – nach, was die Autorin selbst mit ihren Erzählungen versuchte, nämlich sich aus der historischen, politischen und kulturellen Zeit zu verabschieden, für die Dauer einer Reise in seltsame Universen, denn es war Krieg.

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