Planet Dante. Ein Reisebericht

Je größer ein Gegenstand ist, desto subjektiver die Zugänge zu ihm. Der Gegenstand hört bei einer bestimmten Größe geradezu auf, Gegenstand, das heißt überschaubar, beschreibbar, berechenbar zu sein. Er wächst über das Vermögen des einzeln Wahrnehmenden hinaus, wie der Berg Mont Sainte Victoire bei Cézanne, der ihn immer wieder neu malen musste. Solche großen „Gegenstände“ sind Meere und Gebirge. Auch die mikrobiologischen Vorgänge gehören dazu, die sich in ihre andere Unendlichkeit verlieren: Das Kleine ist nur der Zipfel eines großen Unsichtbaren. Groß ist die Erde selbst, sodass wir nur durch den Blick aus dem Weltall sehen, wie rund sie ist. Ähnlich die Werke Shakespeares, die Bibel, Leonardo da Vinci. Wie Planeten schwingen sie um unser Bewusstsein und mehr noch um unser Unbewusstes. Auch Dantes Werk ist ein solcher Planet, möglicherweise noch der am wenigsten bekannte. In unseren Breiten ein fast unsichtbarer, der nur von Zeit zu Zeit, je nach Maßgabe des sich feiernden Dezimalsystems, das uns Jubiläen beschert, auftaucht. Einige Astronomen richten kurzzeitig ihre Fernrohre auf den Himmelskörper, echauffieren sich und diskutieren, während er schon längst wieder am Horizont verschwunden ist.

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“Leicht ist der Abstieg zur Unterwelt” – Eine mythische Reise unter Tage

Der Begriff “Unterwelt” weckt in uns verschiedenste Assoziationen. Manch einer verbindet damit etwas Düsteres, Kriminelles; eine Parallelwelt, in der Menschen leben und wirken, die sich einen eigenen Raum fernab gängiger Normen und Gesetze geschaffen haben. Für andere bedeutet “Unterwelt” ein Ort unter Tage, fernab vom Licht, bedrückt von Enge und Mangel an frischer Luft, wie es über Jahrhunderte lang im Kohle- und Erzbergbau der Fall gewesen ist. Die “Unterwelt” ist also eine räumliche Abgrenzung von der Welt, die wir kennen, die den Besucher mit besonderen Begebenheiten und Ansprüchen konfrontiert. In kultureller und mythischer Deutung ist sie auch die Welt, in der die Seelen der Verstorbenen nach dem Tod einziehen und leben, ein Reich, das für den Sterblichen verschlossen bleibt. Sie ist eine Vorstellung, ein Konstrukt, das wir uns in Geschichten und Legenden imaginieren und bevölkern. Vielleicht, um uns dadurch unsere Angst vor dem Dunkeln (und die Unterwelt wird mit Dunkelheit per se in Verbindung gebracht), dem Unbekannten, dem Unterbewussten in uns selbst und in unserer Umwelt einen Ausdruck zu verleihen. Vielleicht auch, um uns das Wissen um den Tod, der letzten Schwelle zum Unbekannten, die uns allen vorherbestimmt ist, erträglicher zu machen. Der Begründer der analytischen Psychologie, Carl Gustav Jung (1875-1961), hat die “Unterwelt” mit den sogenannten Mutterarchetypen in Zusammenhang gebracht; das Gebärende, Fruchtspendende und Leben bringende einerseits, schließt andererseits das Geheime, das Finstere, Todbringende und Abgründige wie in einem Kreislauf mit ein. Oder, wie es die Alchemisten, ausgehend von ihrer mythischen Schrift, der Smaragdtafel des Hermes Trismegistos, auszudrücken wussten: Das Oberen ist das Untere. Das eine existiert nicht ohne das andere. Das passt in die dualistische Vorstellung, die dem Menschen zu eigen ist, man denke da an Gut und Böse, Groß und Klein, Laut und Leise, Himmel und Hölle, Schwarz und Weiß etc. Und so muss es – fast zwangsläufig – neben der Oberwelt auch einen Ort jenseits davon geben.

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