“Sphinx” oder: Die (Un-)Liebe des Dichters zu seinen Worten in drei literarischen Rätseln

Es wird Abend in der Stadt Leipzig. Unwillig entschließt sich die Junisonne, hinter den Häusern im Westen zu versinken, aber nicht ohne ein letztes, trotziges Aufglühen, das manchem, der längst das dämmernde Dunkel erwartet, in den Augen blendet. Fast zeitgleich legen sich die langsamer werdenden Geräusche des Abends im Einklang mit sommerlicher Kühle über Straßen und Menschen. Der Sommer hat so seine eigene Art, uns zu überfallen. Er ist ein Gaukler, der uns weismacht, all unsere Gedanken zu kennen, und mehr noch; er gibt vor, sie uns aussprechen zu lassen. Und dann, wenn wir dem Trick auf dem Leim gehen – und das tun wir immer -, stellen wir fest, dass die Gedanken ins Ungreifbare entwickelt, sie uns vielleicht sogar wie wundersam abhandengekommen sind. Wir ringen nach Worten, Worte, worum sich alles dreht. Worte, die die Hitze im Zwielicht von Tag und Nacht wieder freigibt; doch es ist ein zögerliches Freilassen, als hätten wir die Wärme in flagranti ertappt, uns insgeheim eine Scherbe unserer selbst gestohlen und in die Welt geworfen zu haben.

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Der heilige Ort, wo alles Leben beginnt

Vor langer Zeit war der Mensch ein Karibu und das Karibu war ein Mensch.

Das Arctic National Wildlife Refuge (ANWR) im Nordosten Alaskas gilt als Kronjuwel unter den Naturschutzgebieten der USA. Die Coastal Plains, die Küstenebenen des ANWR, sind eine unberührte Wildnis von 1,5 Millionen Acre (etwa 6.070 Quadratkilometer). Dieses Gebiet ist Zufluchtsort für Polarbären, Überlebensraum bedrohter Moschusochsen und Überwinterungsplatz von mehr als 200 Zugvogelarten aus fünf Kontinenten. Außerdem sind die Coastal Plains die Kinderstube der etwa 218.000 Tiere umfassenden Porcupine-Karibuherde, der letzten großen, vom Menschen unbeeinflusst ziehenden Karibuherde der Welt. Das Gebiet, in dem die Karibus ihre Jungen zur Welt bringen, wird von den Gwich’in Izhik Gwats’an Goodlit genannt, was übersetzt so viel bedeutet wie “der heilige Ort, wo alles Leben beginnt”. 

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Verwandlung

“Von den Gestalten zu künden, die einst sich verwandelt in neue
Körper, so treibt mich der Geist. Ihr Götter, da ihr sie gewandelt,
Fördert mein Werk und lasset mein Lied in dauerndem Flusse
Von dem Beginne der Welt bis auf meine Zeiten gelangen!”

(Ovid, Metamorphosen, Buch 1, Vs. 1-4)

Alles um uns herum befindet sich in steter Veränderung. Jeder Aspekt unseres menschlichen Lebens führt uns das Tag für Tag vor Augen, und dennoch tun sich die meisten Menschen mit Veränderungen eher schwer. “Das Leben gehört den Lebendigen an, und wer lebt, muß auf Wechsel gefasst sein”, sagte Johann Wolfgang von Goethe, wobei er wohl eher auf den eben beschriebenen, täglichen Umgang mit dem steten Fluss des Neuen anspielt, als die Verwandlung einer jungen Frau in eine Kuh.

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