Magie und Technik: Parallele Denkungsarten?

Magie ist ein äußerst umfänglicher Themenkomplex, in dem mit unterschiedlichster Perspektive unterschiedlichste inhaltliche Aspekte näher betrachtet werden können. Das zeigt schon die erste Literaturrecherche oder ein Blick in die bisherigen Blog-Beiträge des Jahres. Eine Erörterung der dabei zentralen Begrifflichkeiten und Konzepte ist in einer solchen Situation zwar von entscheidender Bedeutung, doch kann das im vorgegebenen Rahmen an dieser Stelle kaum sinnvoll erfolgen. Deswegen möchte ich mich hier bescheiden und – gemäß des Titels – auf die begrenzte Themensetzung der parallelen Denkstrukturen von Magie und Technik fokussieren. Der Beitrag will dabei keinesfalls die Phänomene Technik und Magie gleichsetzen oder Magie vorschnell als eine Vorstufe von Technik und Wissenschaft (oder auch Religion) verstehen, wiewohl hierzu durchaus Ansatzpunkte vorhanden wären (vgl. Cassirer, bspw. 1994, S. 265). Vielmehr geht es darum, ähnliche Impulse und Denkmuster zu benennen, die sowohl der Magie als auch der Technik zugrunde liegen.

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Eine altchinesische Theorie der Musik: Ordnung statt Rausch in „Frühling und Herbst“

Meine diesjährigen Beiträge, die dem Thema Musik im religiösen bzw. philosophischen Kontext gewidmet waren, sollen an dieser Stelle mit einem dritten Text zu einem gleichsam ternärem Ganzem Abschluss finden. Dies war weniger geplant, als dass es sich aus Nachtlektüre von Übersetzungen diverser chinesischer Erzählungen bzw. philosophischer Texte ergab, welche interessantes Material zu Tage förderte. Darunter war „Frühling und Herbst“, das gemeinhin unter der Verfasserschaft von Lü Bu We (3. Jh. v. Chr.) geführt ist (wahrscheinlich versammelte er aber „a team of scholars to produce this work“, Stock in Bohlman, S. 397). Dieses Werk kann allgemein als eine Art Kompendium bezeichnet werden, in dem maßgebliche Bräuche und ethisch-moralische bzw. politische Vorstellungen seiner Zeit versammelt sind. Darunter sind nun auch einige sehr interessante Ausführungen zur Musik zu finden, die gut zur Komplementierung der rauschlastigen anderen beiden Beiträge geeignet erscheinen. Ich bin kein Sinologe und kann nicht anders, als mich dem Thema mit einer gewissen Unbedarftheit zu nähern. Das betrifft eventuell die Art der verwendeten Ausgaben oder die notwendigerweise begrenzte Kenntnis der Forschung. Irrtümer mögen mir deswegen verziehen und gern angezeigt werden. Dem Grundgedanken, dem ich dabei folge, sollte das jedoch keinen Abbruch tun.

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Nietzsche, Bataille und – al-Ghazali?! Zur Rolle der Musik in der islamischen Mystik

In meinem letzten Beitrag habe ich versucht, das Verständnis von Kunst, besonders in Hinblick auf Musik und Fest, gemäß Nietzsche und Bataille zu skizzieren. Dabei spielte die Unterscheidung von Dionysischem und Apollinischem bei Nietzsche einerseits und die von „verschwenderischem Aufbrausen“ und „bewahrender Besonnenheit“ bei Bataille andererseits eine zentrale Rolle. Erstaunlicherweise findet man nun eine sehr ähnliche Auffassung auch in einem Kontext wieder, der zeitlich deutlich früher zu verorten ist – im Mittelalter – und in einem deutlich anderen religiös-kulturellen Kontext beobachtet werden kann, nämlich innerhalb des Islams.

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Der Ausfall des Festes – Ein kurzer Blick mit Nietzsche und Bataille auf die derzeitige Lage von Kultur und Gesellschaft

Schon im vergangenen Jahr während bzw. kurz nach dem ersten Lockdown entstand das schwerwiegende Problem, wie Künstler verschiedenster Art und die Veranstaltungsbranche den schmerzhaften Einschnitt in ihre Arbeit bewältigen könnten, insofern er nicht bereits fatal war. Ausfälle von Lesungen, Aufführungen, Konzerten, Schließung von Theatern, Ausstellungen und Kinos bedrohen nach wie vor die Existenzen der Kunstschaffenden und frieren das in Gesellschaft stattfindende kulturelle Leben völlig ein. Ich möchte in den folgenden Absätzen nicht auf dieses schmerzlich bekannte Problem eingehen, sondern auf eines, das damit mehr oder weniger direkt zusammenhängt, aber tendenziell in eine andere Richtung weist: Der Ausfall des Festes.

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Eine Auslotung des modernen Geistes: Linus Hausers “Kritik der neomythischen Vernunft”

Kurz gesagt: Ich will die hohe Bedeutung eines sich szientistischer und technizistischer Metaphern bedienenden neuen religiösen Denkstils für die Moderne aufweisen. […]. Es wird sich herausstellen, dass sich in naturwissenschaftlichen Eliten eine Art doppelter Wirkungsgeschichte von Ideen ereignet. In einem wechselseitigen Inkognito ist der geniale Nobelpreisträger zugleich banalstem religiösem Gedankengut anhängender Neomythologe […].“ (Hauser Bd. 1, S. 23)

In meinen bisherigen Beiträgen habe ich schon öfters auf sogenannte „Neomythen“ bzw. „neomythische“ Denkweisen verwiesen, um gewisse Impulse moderner bzw. gegenwärtiger Erzählungen zu charakterisieren. Diese Begrifflichkeiten und das zugrundeliegende Konzept stammen von dem eben zitierten Gießener Theologen und Philosophen Linus Hauser, der sich mit dem Thema in seinem Großwerk intensiv auseinandergesetzt hat. Ich möchte diesen Beitrag nutzen, um darüber einen knappen Überblick zu geben. Es ist freilich nicht durchführbar, ein dreibändiges Werk mit knapp 2000 Seiten auf vier Standardseiten zu ca. 400 Wörtern erschöpfend vorzustellen, gerade hinsichtlich des mehr als 200 Jahre umfassenden ideengeschichtlichen Horizonts, den Hauser eröffnet und der wesentlich in der Abarbeitung exemplarischer Persönlichkeiten besteht. Ich hoffe dennoch das Wichtigste vermitteln und den einen oder anderen Leser anregen zu können, die Hauptideen zu durchdenken oder die „Kritik der neomythischen Vernunft“ einmal zur Hand zu nehmen.

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Sehnsucht nach und Aufbruch in den Kosmos: Mythische Aspekte der Reise ins Weltall, Teil 2

In Teil 1 des Beitrags hatten wir kurz in antiken Mythen und alttestamentarischen Erzählungen einige Motive aufgespürt, die direkt die „Raumfahrt“ beinhalten oder leicht von der Irdisch-Horizontalen auf die Vertikale übertragen werden können. Ihr mythischer Charakter war dabei mehr oder weniger offenbar. Bei den Akteuren handelte es sich um göttliche Wesen oder heldenhafte Menschen. Sie waren entweder den Bedingungen einer kosmischen Fahrt nicht gewachsen und aufgrund ihrer Selbstüberschätzung zum Scheitern verurteilt oder durch göttliches Eingreifen gekrönt von Erfolg, wie überhaupt die geschilderten Reisen sich fast immer einer göttlichen Initiierung verdankten. Zu umreißen, auf welche Art und Weise nun moderne Erzählungen der Science Fiction ebenfalls einen (neo)mythischen Charakter tragen, ist Aufgabe der folgenden Ausführungen. Die hierbei angeführten Beispiele können freilich nicht in extenso vorgestellt werden. Insbesondere muss von einer breiten inhaltlichen Darstellung (die für den geneigten Leser eventuell von Vorteil wäre) aus Platzgründen abgesehen werden, sodass der Fokus auf die zentralen Motive gelenkt wird.

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Sehnsucht nach und Aufbruch in den Kosmos: Mythische Aspekte der Reise ins Weltall, Teil 1

Seit einiger Zeit rückt die bemannte Raumfahrt wieder verstärkt in den Mittelpunkt des wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Interesses. Nach den sechs bemannten Mondlandungen zwischen 1969 und 1972 wurden unser Sonnensystem und das Weltall über Jahrzehnte – bis auf die routinemäßigen Besatzungswechsels auf der ISS im Orbit der Erde – nur vermittels immer besserer Satelliten, Raumsonden, inklusive Landefahrzeugen, und Weltraumteleskopen erkundet. Der technische Fortschritt hat so die Astrophysik immer weiter vorangebracht, allerdings den Menschen mit seinem physischen Leib erstaunlicherweise nicht weiter hinaus in unsere kosmische Umgebung. Diesen Umstand zu ändern, haben sich seit etwa zehn bis zwanzig Jahren staatliche Stellen verschiedener Nationen, aber auch private Investoren verschrieben. Die Ziele sind hoch gesteckt, nicht nur geht es um eine erneute bemannte Landung auf dem Mond 2024 und die eventuelle Errichtung einer Mondbasis, sondern weiter sind ähnliche Operationen sogar auf den Mars angedacht. Neben den wissenschaftlichen, technischen und wirtschaftlichen Details, die hier von Bedeutung sind, wohnt solchen Vorhaben durchaus auch ein genuin mythisches Moment inne.

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Warum Mythologie?

Nachdem ich in vielen kleinen Gesprächen die sehr freundliche Bekanntschaft des Arbeitskreises zur Jubiläumsfeier im Januar 2020 gemacht hatte, wurde mir die Möglichkeit geboten, auch an seinem Blog auf der Homepage mitzuarbeiten. Darüber freute ich mich sehr, worauf sich aber auch sogleich die Frage anschloss: Worüber soll ich eigentlich schreiben? Mein Interesse an Mythen und Mythologie wurde schon in der Jugend geweckt, hielt über die Jahre des Studiums und danach an und tut dies auch nach wie vor. Entsprechend ist – um eine Formulierung Cassirers aufzugreifen – „die verwirrendste Tatsache nicht der Mangel, sondern der Überfluss” (Cassirer 1949, S. 8) des möglichen Themenmaterials und auch der möglichen Zugriffsweisen, wie sie sich in fortlaufender Lektüre und Nachdenken erschlossen haben. Nach einem Blick in meine Magisterarbeit über den Mythos bei eben zitierten Ernst Cassirer und eingedenk mancher Gespräche mit Freunden und Kollegen, entschloss ich mich endlich dazu, mich in meinem ersten Beitrag mit einer recht allgemeinen Frage auseinanderzusetzen: Warum eigentlich Mythologie?