Die (postmodernen) Nibelungen: In Worms

Nach Worms zu gelangen, ist dieser Tage gar nicht so einfach. Gewiss, man reitet nicht mehr zu Pferd, reist mit der Postkutsche oder pilgert per pedes. Doch da ist die Zeit, die sich viel zu leicht und viel zu unnachgiebig auf die Entschlussfreudigkeit auswirkt. Zeit ist Zeit ist Zeit – das gilt auch in Bezug auf den Zug. Ebenfalls nicht zu unterschätzen: das Wetter. Gefolgt von Schwankungen im allgemeinen Wohlbefinden (auch der innere Reiseschweinehund will gut gefüttert werden) oder von anderweitigen arbeitstechnischen Ablenkungen. Beim dritten Anlauf soll es daher endlich gelingen:


„Uns sind in alten Mären Wunder viel gesagt

von Helden, reich an Ehren, von Kühnheit unverzagt,

von Freude und Festlichkeiten, von Weinen und von Klagen,

von kühner Recken Streiten, mögt ihr nun Wunder hören sagen.“ (Vs. 1)


Nibelungenlied, Erste Seite, Handschrift C (um 1220 – 1250)

Wohl denn: Die Nibelungen rufen. Und obwohl das ganze Drama um Siegfried, Kriemhild, den Drachen, den Schatz usw. am Ende doch Legende bleibt, der Stoff ist Stoff à la Shakespeare, nur ein paar hundert Jahre älter. Wer könnte dem widerstehen? Einziger Wermutstropfen ist der letzte Parameter der postmodernen Zeitreise: die Sache mit der Erwartung. Denn diese wird nach der Ankunft in Worms erst einmal etwas gedämpft. Statt einer wohlig historisch-fiktionalen Umarmung wartet eine gehörige Dusche Realität.

Mit seinen rund 85.000 Einwohnern ist Worms die typisch mittelgroße Stadt mit dem üblichen Verkehr, dem üblichen Gewusel, dem üblichen Alltag, den üblichen Shopping-Passagen, und nicht fehlen darf natürlich der übliche Einkaufsparcours für gestresste Autofahrer und müde Fußgänger. Hinzu gesellen sich die üblichen Schülergruppen, die nach der Domführung gar nicht schnell genug aus den (für sie) muffigen alten Mauern flüchten können – Kirche, Kultur, war da was? Auch in der Touristeninformation herrscht die üblich höflich-distanzierte Grundstimmung. Neugier vs. Alltagstrott. Wo sind denn nun die versprochenen Wunder? Auf dem Obermarkt vielleicht, wo die Miniatursteinvariante eines etwas zu freundlich dreinschauenden Drachens Feuer speit. Zur Weihnachtszeit (mit traditionellem Nibelungenglühwein) schaut es aus, als entzündeten die Flammen auf magische Weise die darunter aufgestellten Kerzen. Über dem Drachen dreht sich derweil stoisch und jahreszeitenunabhängig das Wormser Schicksalsrad. Es stammt aus dem Jahr 1986 und wurde vom Bildhauer Gustav Nonnenmacher (1914-2012) gestaltet. Beim Rotieren zeigt es historische Ereignisse der Stadt und Alltagsszenen. Wunder oder wundern? Man darf kurz ernüchtert sein. Dann heißt es, Erwartungen loslassen und auf die Suche gehen. Dank Google-Maps – oder indem man sich zur Orientierung seiner natürlichen Spracheinstellungen respektive des eigenen Sehvermögens bedient – kann der postmoderne Nibelunge (oder die Nibelungin) so manche Entdeckung machen und es dabei doch ganz unerwartet schaffen, aus der Zeit zu fallen.

Da wäre zum Beispiel der „Basilikaschirm“ im Wormser Dom St. Peter (neben dem Hohen Dom St. Martin zu Mainz und dem Mariendom zu Speyer der kleinste der drei rheinischen Kaiserdome – wiewohl „klein“ in der Wahrnehmung des Besuchers schlussendlich eine Frage der Perspektive bleibt, solange es technisch nicht möglich ist, sich hintereinander in alle drei Gebäude zu beamen). Der Schirm wirkt auf den ersten Blick ein wenig skurril im Kircheninventar, ist aber eine wichtige Insignie, das sogenannte „Umbraculum“ (oder Conopeum). Ursprünglich handelte es sich hierbei um einen Schirm zum Schutz von Kantoren und Priestern bei Prozessionen; zusammen mit einer liturgischen Glocke (dem Tintinnabulum) steht das Umbraculum aber kennzeichnend für eine päpstliche Basilika. Im Jahr 1925 verlieh Papst Pius XI. dem Wormser Dom den Ehrentitel „Basilica Minor“, was die besondere Bedeutung des Gebäudes zum Ausdruck bringen sollte. Eine Ehrenrettung des Bauwerks und eine Rückbesinnung an kirchenpolitisch bessere Tage. Und Schuld daran trägt? Napoleon! Als linksrheinisches Gebiet gehörte Worms nach der französischen Besatzung zum Départment Mont Tonnère. 1801 wurde das bis dato bestehende Bistum Worms aufgelöst, 1816 verlor die Stadt sogar ihren Status als Reichsstadt. Damit wurde auch der Dom in den Stand einer einfachen Pfarrkirche zurückversetzt und war fortan Teil des Bistums Mainz. Es dauerte bis 1862, um das Bauwerk zu „rehabilitieren“. St. Peter wurde Propsteipfarrkirche und schließlich „Basilica minor“. Ein turbulenter Werdegang auf dem Schicksalsrad. Dazu passt auch, dass der Basilikaschirm keine Stiftung der 1920er Jahre ist, sondern sehr viel jünger und mit Hilfe von Spendengeldern finanziert. Dazu ein Statement des amtierenden Probstes Tobias Schäfer: „Mit dem wunderschön geschnitzten Basilikaglöckchen und dem Basilikaschirm […] sind wir nun auch in Worms gut gerüstet, sollte es dem Papst einmal einfallen, unseren Dom zu besuchen.“ (Der Mantel, 3/2016, S. 11) Solch ein Besuch wäre in der Tat ein mehr als nur versöhnliches christliches Glaubensbekenntnis, denn die Mehrzahl der Wormser sind Protestanten. Seit 1525 ist die Stadt evangelisch, wiewohl Bischof und katholische Geistliche ihre Sonderstellung behielten. Die Ungläubigkeit ob jener Spaltung ist auch dem Blick eines steinernen Löwen zu entnehmen, der vor dem Westchor aufgestellt ist. Er scheint schon recht lange auf ein Wunder zu warten.

Umrundet man St. Peter entlang der Außenfassade, kommt man an zwei besonderen Tafeln vorüber: Die erste Tafel berichtet von der „Wormser Elle“, ein Längenmaß das 54,9 cm beträgt und früher verbindlich für den Handel in der Stadt gewesen ist. Die zweite Tafel befindet sich neben dem Nordportal des Doms, auch Kaiserportal genannt. Es stammt aus der 2. Hälfte des 12. Jahrhunderts und wurde letztmalig 1981, lange vor dem Schicksalsrad, vom Bildhauer Nonnenmacher neugestaltet.

Wie der Name vermuten lässt, betraten durch diesen Eingang die römisch-deutschen Kaiser den Dom. Der Inschriftentafel zufolge geht die Gestaltung auf Initiative Kaiser Friedrichs I. (Barbarossa, 1122-1190) zurück. Dieser hatte Worms 1184 die Privilegien als Reichsstadt in einer Urkunde nicht nur bestätigt, sondern sogar erweitert. Ein Höhepunkt in der überaus wechselhaften Geschichte der Stadt.

Bereits unter den Römern war Worms (lat. Wormatia, Borbetomagus oder Civitas Vangionum, zum Römischen Reich gehörend seit augusteischer Zeit ab ca. 31 v. Chr.) Hauptort einer „civitas“ (Verwaltungseinheit, bestehend aus städtischem Zentrum und Umland) sowie Militärstützpunkt. Allerdings ist eine weit ältere Besiedlung nachweisbar. Seit dem 7. Jahrhundert ist zudem eine Bischofsliste überliefert (beginnend mit Berchtulf), wiewohl die kirchlichen Wurzeln in Worms ebenfalls älter sein dürften. Unter den Karolingern gelang es den Wormser Bischöfen zwar ihre Macht zu festigen, die Reichsteilung von 843 brachte die Stadt als Teil des Ostfrankenreiches jedoch in eine territoriale und politische Randlage. Dennoch ließ Kaiser Otto der Große (912-973) hier 961 seinen Sohn Otto II. zum Mitkönig erheben. Unter dem ostfränkischen Adelsgeschlecht der Salier mit den Stammgebieten Speyergau, Wormsgau und Nahegau erlebte die Stadt schließlich ab dem 11. Jahrhundert einen neuen Aufschwung; 1122 wurde hier zudem das sogenannte Wormser Konkordat geschlossen, welches den seit dem 11. Jahrhundert schwelenden Investiturstreit zwischen dem Kaisertum und dem Papsttum beendete.

Auf der Inschriftentafel am Kaiserportal wird neben dem historischen Vermerk noch auf etwas verwiesen, dass literarische Herzen höherschlagen lässt. Es steht geschrieben: „Im Nibelungenlied Schauplatz des Streites der Königinnen Krimhild und Brunhild.“

Plötzlich ist man mittendrin in Geschichte und Mythos. Oder war man unwissentlich längst Teil davon? Der Streit der Königinnen ist im Nibelungenlied der turning point für die gesamte Handlung und sorgt letztendlich nicht nur für das Ableben der royalen Familie, sondern auch des Gefolges. So heißt es als Spoiler gleich vorweg genommen im ersten der von einem anonymen Autor schriftlich niedergelegten „Abenteuer“:


„Zu Worms an dem Rheine sie saßen in ihrer Kraft,

Aus ihren Landen diente viel stolze Ritterschaft

in rühmlichen Ehren all ihres Lebens Zeit.

Voll Jammers später sie starben durch zweier edler Frauen Streit.“ (Vs. 7)


Böse mag man die Frage stellen, ob das berühmteste Heldenepos der mittelhochdeutschen Literatur im Strudel der aktuellen Diskussionsuntiefen von Geschlecht, Sprache, Feminismus, Stereotypisierung etc. bald auf dem Gender-woke-Index landen wird.  Immerhin die Problematik der nibelungschen Geschlechterrollen ist nicht neu, wie Arbeiten u. a. von Walter Seitter (1990), Tilo Renz (2012) oder Irene Martinez-López (2022) zeigen. Dennoch darf man nüchtern konstatieren: die Männer sind am Ende fast alle tot. Der Ausbund weiblicher Rache, Kriemhild, ebenfalls. Vom Schicksal der (einst wilden Königin von Island und vom Helden Siegfried gezähmten) Brunhild erfährt man am Ende in der sogenannten „Klage“ (einer Art dichterischen Fortsetzung des Epos) lediglich, dass ihr der Tod des Gemahls Gunter mitgeteilt wird. Keine triumphale win-win-Situation für irgendwen also.  Es menschelt (wenn auch hier in der Fantasie) etwas zu sehr. Mit fatalen Folgen. Von daher sollte man über den letzten Satz am Kaiserportal ruhig etwas intensiver (und möglichst unemotional) reflektieren. Streit gibt es schließlich auch in der Gegenwart mehr als genug. Und das nicht allein in Bezug auf weibliche Eifersüchteleien.

Bedenkt man zudem, dass die Handlung des Nibelungenlieds im 5. Jahrhundert angesiedelt ist, die eigentliche Niederschrift des Epos aber ins beginnende 13. Jahrhundert fällt, legt die Inschriftentafel ein seltsam real-fiktives Paradoxon offen. Was ist historisch wahr im Nibelungenlied? Was ist Erfindung?

In der Spätantike gab es durchaus das Volk der Burgunden (oder Burgunder), bereits erwähnt beim römischen Gelehrten Plinius dem Älteren (23 v. Chr. – 79 n. Chr.) und dem Geografen Claudius Ptolemäus (um 100 – 160). Zwischen 443 und 476 bildeten die Burgunden sogar ein eigenständiges Föderatenreich im südlichen Gallien. Die Gebiete gingen schließlich im Frankenreich auf. Allerdings siedelten die Burgunder wohl bereits zu Beginn des 5. Jahrhunderts am Rhein und im Raum von Worms. (Vgl. Reinhold, S. 27 f.) Sie werden in Verträgen mit römischen Kaisern oder Usurpatoren erwähnt. Darüber hinaus berichtet der oströmische Geschichtsschreiber Olympiodoros von Theben, dass sich im Jahr 411 die Burgunden unter ihrem rex (König) Gundahar (oder Gunthahar, gest. 436) der Wahl des Jovinus, eines gallo-römischen Senators, zum weströmischen Gegenkaiser angeschlossen hatten. Zum Gunter des Nibelungenliedes könnte also durchaus ein reales Vorbild existieren. Auch Leben und Regentschaft des Hunnenführers Attila (um 400 – 453), der im Nibelungenlied als König Etzel vorkommt und an dessen Hof das Ende der Burgunden in Szene gesetzt wird, fällt in diese Zeit. Interessanterweise wurde das rheinische Burgunderreich wohl tatsächlich von hunnischen Truppen ausgelöscht. Auch König Gundahar fand bei diesen Kämpfen den Tod. Die Überlebenden wurden von den Römern schließlich im bereits genannten süd-gallischen Raum angesiedelt.

Auch beim Wormser Dom, einem architektonischen Konstrukt des 11. Jahrhunderts und im Übrigen Grablege von Vorfahren und Angehörigen des salischen Königshauses, gab es einen Vorgängerbau. Ob sich dort tatsächlich einmal royale schicksalsweisende Streitszenen abspielten, bleibt wohl ein ewiges Geheimnis. Den Königinnenstreit mussten wir zu Schulzeiten sogar szenisch und mit wechselnden Rollen nachspielen, fällt mir beim Fotografieren unerwartet ein. Ob ich lieber Krimhild oder Brunhild gewesen bin, ist mir allerdings entfallen.

Ein realer und definitiv historisch und theologisch zukunftsweisender Streit ganz anderer Art hat sich derweil unmittelbar neben dem Dom im Bischofshof zugetragen. Man schreibt das Jahr 1521. In Worms findet der Reichstag des Heiligen Römischen Reiches statt. Ein Mönch namens Martin Luther (1483-1546) zieht am 16. April in die Stadt ein. Er hat den Ablasshandel angeprangert, die Macht der Kirche verurteilt und auch sonst mit seinen Schriften die Christenheit in Aufruhr versetzt. Er muss vor den Kaiser (Karl V.) treten und im Beisein päpstlicher Gesandter, Theologen und des Who-is-Who des Adels widerrufen und damit den Frieden widerherstellen. Allerdings kam es anders in Worms, und die Reformation und damit die Spaltung in katholische und protestantische Kirche nahm ihren Lauf. Vom Ort des Geschehens finden sich heute nur noch Hinweise denn reale Spuren. Der Bischofshof wurde im 17. Jahrhundert zerstört und ist bis auf einige Kellergewölbe im Museum Kunsthaus Heylshof aufgegangen. In der dazugehörigen Parkanlage kann man dem Wind auf ganz eigene Weise lauschen, wie er durch die Bäume streicht und für Geschichte(n) und Wunder nur ein verwundertes Rauschen übrig hat.

Zu den Nibelungen liefert derweil der Wormser Innenstadtplan neue Hinweise, der mit dem Slogan „zu Fuß durch 2 Jahrtausende“ wirbt, zu lesen auch auf diversen Straßenschildern. Ich versuche mir vorzustellen, wie viele Kilometer man in dieser Zeitspanne zurücklegen könnte, und scheitere. Besser sich auf den Nibelungenturm zu konzentrieren. Dazu muss man von der Innenstadt bis zum Rhein laufen, passenderweise immer der Rheinstraße nach. Unterwegs kommt man an der Woogbrücke vorbei. Dabei handelt es sich um Reste der Befestigungsmauer aus dem 17. Jahrhundert. Bei Straßenbauarbeiten entdeckte man die Fundamente, die zur einer damaligen Bastion gehörten. Das Wort „woog“ meint ein stehendes Gewässer. Der Wormser Woog lag vor der östlichen Stadtmauer und wurde vom Maria-Münster-Bach gespeist. Apropos Stadtmauer, einige Reste kann man auf dem Weg zum Rhein erkunden. Ein Tordurchbruch führt übrigens zu einer Straße, die sich „Große Affengasse“ nennt.

Während ich mich noch frage, was es mit den Affen auf sich hat – im Inneren des Doms ist der Teil eines Säulenschafts aufgestellt, der einen Menschen zeigt, auf dessen Schultern ein Affe sitzt (im Domführer gedeutet als Teufel, der im Manier des Aufhockers einem Baumeister zu Leibe rücken will) – ragt der Nibelungenturm, erbaut 1900 im Nibelungenstil, auf. Durch ihn hindurch überqueren Autos den Rhein über die Nibelungenbrücke. Ich gebe zu, dass ich vom sogenannten „Nibelungenstil“ noch nie etwas gehört habe. Er kommt tatsächlich auch nur in Worms vor, erfunden vom Stadtbaumeister Karl Hofmann (1856-1933). Dabei handelt es sich um eine Mischung aus Jugendstil und Neoromantik. Der Wormser Hauptbahnhof, der ehemalige Wasserturm sowie weitere Häuser sind noch heute im Nibelungenstil erhalten.

Bei so viel Nibelungen bin ich fast froh, meine Blicke über den Rhein schweifen lassen zu können. Der Pegel zeigt Hochwasser und ich muss kurz an die Hochwasser an der Elbe 2002 und 2013 denken, während ich die Uferpromenade entlang laufe. Und dort begegne ich ihm, dem Antihelden aller Antihelden: Hagen von Tronje, der über den Fluss blickt, bereit, den legendären Schatz, nach dem noch heute gesucht wird, in den Fluten zu versenken. Ob es sich bei ihm um eine skrupellose (Mörder des Helden Siegfried), tragische (als letzter Nibelunge von Kriemhild enthauptet) oder weitsichtige Gestalt handelt, die wusste, dass Schätze am Ende nur Unheil bringen, mag jeder für sich entscheiden. Imposant ist das Bronzedenkmal, das ursprünglich im Wormser Stadtpark aufgestellt war, allemal. Gestiftet wurde es vom Unternehmer, Politiker und Mäzen Cornelius Wilhelm Heyl (1843-1923), eben jener Heyl, der sich auf dem Gelände des bereits erwähnten zerstörten Bischofshofes eine Villa bauen ließ, die später zum Museum und Kunsthaus avancierte. Man kann den Nibelungen in Worms also schwerlich entkommen. Aber will man das? Und überhaupt: Ist es nicht reizvoll, sich hin und wieder ein wenig in der Grauzone von Fiktion und Wirklichkeit treiben zu lassen?


“Ich kann euch nicht erzählen, was seither geschah. Nur dies: Die Ritter und die Damen wie die Knechte beweinten den Tod ihrer Lieben. Hier endet die Erzählung: Das ist die Geschichte der Nibelungen.” (Das Nibelungenlied, S. 229)


Im Gegensatz zum Epos ist die Geschichte der Nibelungen auch heute nicht zu Ende erzählt (was die seit 2002 wiederbegründeten Nibelungen Festspiele Jahr für Jahr beweisen) – und vielleicht wird sie das auch nie. Noch immer geistern sie durch Worms. Ob im Nibelungenmuseum, am Siegfried-Grab oder in Kriemhilds Rosengarten. Sie sind überall. Sie haben die Literatur erobert. Sie halten Schatzsucher in Atem. Sie haben ihren eigenen Mythos erschaffen. Und sie haben dabei auch ihre Schatten geworfen. Ein Grund mehr, als postmoderner Nibelunge oder Nibelungin weiter in Worms und darüber hinaus ihren Spuren zu folgen.

Ein Beitrag von Dr. Constance Timm


Literaturhinweise:

Das Nibelungenlied. Übersetzt von Felix Genzmer. Anmerkungen und Nachwort von Bernhard Sowinski. Reclam: Stuttgart 1965.

Das Nibelungenlied. In Prosa übertragen von Manfred Bierwisch und Uwe Johnson. 6. Aufl. Insel Verlag: Berlin 2021.

Mantel_2016-3.pdf (bistummainz.de)

Der Streit der Königinnen: Machtverhältnisse und Geschlechterrollen im Nibelungenlied (usc.es)

Reinhold Kaiser. Die Burgunder. Kohlhammer: Stuttgart 2004.

Tilo Renz. Um Leib und Leben. Das Wissen von Geschlecht, Körper und Recht im Nibelungenlied, Berlin und Boston 2012.

Walter Seitter. Versprechen, versagen. Frauenmacht und Frauenästhetik in der Kriemhild-Diskussion des 13. Jahrhunderts. Merve, Berlin 1990.


© Arbeitskreis für Vergleichende Mythologie e. V.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahren Sie mehr darüber, wie Ihre Kommentardaten verarbeitet werden .