MYTHO-Cast Folge 8: Das Tarot – Vom historischen Spiel zur Wahrsagekunst

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MYTHO-Cast Folge 8: Das Tarot - Vom historischen Spiel zur Wahrsagekunst
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Gespräch mit Constance Timm und Sebastian Helm

Intro und Outro gesprochen von Constance Timm

Musik von Sebastian Helm

Editing von Sebastian Helm

Das Tarot – Vom historischen Spiel zur Wahrsagekunst

Die meisten kennen das Bleigießen, das sich vor allem an Silvester großer Beliebtheit erfreut. Bleistücke, häufig in Gestalt von Kleeblättern, Glücksschweinen oder Schornsteinfegern, werden über einem kleinen Feuer oder einer Kerze erhitzt, geschmolzen und in eine Schüssel mit kaltem Wasser gegossen. Die dadurch entstehenden Formen können anschließend als Gestalt oder als Schattenwurf gedeutet werden und sollen für das neue Jahr Glück oder Unglück weissagen. Bereits bei den alten Römern war diese Art der Divination (Wahrsagung) bekannt. Aber auch Karten sind ein Medium, das gern zur Zukunftsschau verwendet wird. Großer Beliebtheit erfreut sich hier das Tarot. Ein Grund sich dessen Geschichte einmal näher anzuschauen.

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MYTHO-Cast Folge 1 – Prometheus

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MYTHO-Cast Folge 1 - Prometheus



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Zum Ende der Welt: Eine Reise auf dem südlichen Peloponnes – Kapitel 7: Taygetos

Aus Richtung Gythio kommend, durchquerten wir eine kleine Ortschaft am Fuße des Gebirges. Ein Dutzend Häuser links und rechts der Straße, an einem Abzweig ein größeres Anwesen, ein Wohnhaus mit Nebengebäuden und einem Innenhof. Aus dem Hof rief uns ein Mann an, der dort gesessen hatte. Auf die Frage, wohin wir gingen, antworteten wir wahrheitsgemäß: Auf die andere Seite des Gebirges, nach Kardamili. Ungläubiges Erstaunen war die Reaktion. Eine schwarz gekleidete alte Frau bekreuzigte sich. Man bat uns in den Hof, ließ uns Platz nehmen und eine zweite, an einem Stock sich nur mühsam vorwärts bewegende uralte Frau schlurfte ins Haus, um uns Kaffee zu kochen. Der Mann sprach ein wenig Deutsch. Er habe, so erzählte er uns, vor längerer Zeit in München gearbeitet, im Restaurant eines Bekannten. Er versuchte uns von unserem Vorhaben abzubringen, verstand nicht, warum wir nicht mit einem Auto fuhren. Als er begriff, dass es zwecklos war, beschwor er uns, wenigstens die Straße zum nächsten Ort zu nehmen, nicht auf dem Wanderweg zu gehen, der nicht der kürzeste Weg sei. Da dieser Weg direkt hinter seinem Gehöft abzweigte, blieb uns nichts übrig, als vorläufig tatsächlich weiter auf der Straße zu gehen. Wir brachten es nicht fertig, den wohlmeinenden Rat der Leute auszuschlagen.

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Die Stiftsbibliothek in Zeitz – Ein Schatz an Büchern und an Wissen

Ein wahres Monument der Weltgeschichte befindet sich unmittelbar im Leipziger Umland: Eine der wohl ältesten, historisch bedeutendsten, aber auch eindrucksvollsten Büchersammlungen Mitteldeutschlands hat ihren Sitz in Zeitz – um genau zu sein, in der Stiftsbibliothek, welche seit 2005 im Torhaus des Schlosses Moritzburg ihr Zuhause findet. Zur Bibliothek, wie sie heute aufgestellt ist, gehören drei Teilsammlungen: 1. die historische Stiftsbibliothek, welche sich auf die bischöfliche Bibliothek des Spätmittelalters sowie die Privatbibliothek des Bischofs Julius von Pflug aus Naumburg aus dem 16. Jahrhundert beruft; 2. die sogenannte „Domherrenbibliothek“, welche im Spätmittelalter die Dienstbibliothek des Zeitzer Kollegiatstiftes St. Peter und Paul darstellte; 3. die Überbleibsel der einstigen Gymnasialbibliothek, welche in den 1950er Jahren in die Sammlung der modernen Stiftsbibliothek aufgenommen wurden.

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Zwischen Himmel und Erde 1.0: Eine Lektion im Lächeln – Der Naumburger Dom

Seit jeher ist der Mensch fasziniert vom “Oben”, dem Blick zu den Wolken, zur Sonne, zum Mond oder zu den Sternen. Das Oben scheint unendlich. Und ungreifbar. Ein weiter Raum, der unsere Vorstellungskraft anregt, und vielleicht war und ist es genau das, weshalb das Oben seit jeher mit dem Sitz von Göttern, dem Reich der himmlischen Heerscharen oder aber mit dem Paradies assoziiert wurde. Alles Gute kommt von oben. Alles Schlechte lauert in der Tiefe, der Unterwelt, der Hölle, dem Reich fernab des Lichts. Schon im Schamanismus finden wir die Dreigeteiltheit des Kosmos in Ober- und Unterwelt, verbunden durch die axis mundi (die Weltenachse), symbolisiert etwa durch den Weltenbaum, einen heiligen Berg oder auch eine Trommel. Auf der Tabula Smaragdina (Smaragdtafel), der grundlegenden Schrift der Alchemisten, heißt es: Quod est inferius, est sicut (id) quod est superius, et quod est superius, est sicut (id) quod est inferius – Das Unten ist wie das Oben, und das Oben ist wie das Unten.

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Die Geschichte von Kain und Abel und wie wir sein wollen

Wir kennen alle die Bibelgeschichte von Adam und Eva, dem „Sündenfall“ und die darauf folgende Vertreibung aus dem Paradies, der bald darauf der erste Mord in der Menschheitsgeschichte folgt und Kain seinen jüngeren Bruder Abel erschlägt. Was lernen wir aus der Geschichte? Welche Konsequenzen ziehen wir aus den Unzulänglichkeiten der ersten Menschen, die, vertrieben aus einem paradiesischen Dasein, sich selbst überlassen, für sich selbst und ihren Nächsten Verantwortung tragen mussten?

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Zwischen Mythos und Machtanspruch. Die (Kiewer) Rus/Русъ

Einige Mythen, dazu gehören auch die Verschwörungsmythen, sind besonders hartnäckig. Sie behalten ihre Wirksamkeit bis heute und können durchaus politische Handlungen bewirken. Zu ihnen gehört u. a. der Mythos von der Kiewer Rus, der Kosaken-Mythos wie auch der Mythos vom russischen und ukrainischen Brudervolk, von ihrer „unverbrüchlichen Freundschaft“. In Folge des Kosakenaufstands unter Bogdan Chmelnizki/Chmelyzkyj (1595-1657), der Russland einen Vertrag anbot, sollte die Ukraine ein autonomer Teil Russlands werden. Ein Teil der Kosaken wollte allerdings lieber der Polnisch-Litauischen Adelsrepublik angehören, in der sie sich größere Freiheiten versprachen.

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Zum Ende der Welt: Eine Reise auf dem südlichen Peloponnes – Kapitel 3 “Exo Mani 2”

Das Meer war noch grau und stumpf, die Luft frisch, ein wenig kühl. Aus dem nächsten Dorf war das Krähen der Hähne zu hören. Das Einrollen der Schlafsäcke, das Umziehen und Packen – es dauerte eine gute halbe Stunde, bis wir bereit waren zum Aufbruch. Die Klippen rückten schon bald immer enger an den Steilhang heran, kein Wanderweg schien mehr weiterzuführen. Wir mussten bergauf zu den Dörfern Thalamos und Platano gehen. Denn dort oben verlief die Straße, die weiter nach Süden führte, nach Areopoli und dann bis zum Kap Tenaro, unserem vorläufigem Ziel. Zwei, drei Stunden gingen wir auf einem schmalen Pfad aufwärts, unterbrochen nur von einer kurzen Rast an einer Kapelle. Der Weg wurde nach einiger Zeit noch schmaler, zweigte sich auf in mehrere Fußpfade, brachte uns schließlich in ein kleines Tal, dessen Ende von dichtem Gestrüpp versperrt war. Erst nach einigem Hin und Her fanden wir einen neuen Pfad, der am Rand des Tales wieder weiter aufwärts führte. Unvermittelt standen wir nach kurzer Zeit an einem staubigen Feldweg, der uns bis nach Thalamos führte.

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Go East 1.0 – Der Mönch und der Khan: Wilhelm von Rubruk reist im 13. Jahrhundert in die Mongolei

Die Religion treibt die Menschen in die Ferne. Sie wollen einen Glauben weitertragen bis an die Ränder der Erde und stoßen dabei auf anderen Glauben, andere Verehrungen, andere Götter. Die Reisen in die Ferne haben natürlich auch oft einen politischen Hintergrund. Im 13. Jahrhundert will das christliche Europa Kontakt aufnehmen zu den nur vage bekannten Mongolen. Könnten sie dem Abendland nicht beistehen im Kampf gegen den Islam? Aber was heißt „vage bekannt“? Die Mongolen dehnten fortgesetzt ihr Imperium aus, ihre Heere waren bis nach Europa vorgedrungen. Im April 1241 wurde das deutsch-polnische Heer bei Liegnitz /Schlesien geradezu zermalmt. Den Kopf des getöteten Herzogs Heinrich steckten die Mongolen auf eine Lanzenspitze und hielten ihn den Christen als Schreckensbild hin. Zur selben Zeit erlitt ein weiteres christliches Heer in Ungarn eine krachende Niederlage. Und es sah so aus, als wäre dies nur der Anfang einer beispiellosen Zerstörung: der Untergang des Abendlandes insgesamt stand bevor! Doch plötzlich wendeten sich die Asiaten nach Süden Richtung Ungarn und dann zurück nach Südrussland. Niemand wusste, warum.

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Kleines Mythologisches Alphabet: Zwischen Kap Arkona und dem Lausitzer Bergland. Westslawische Mythologie

Hören wir den Begriff “Slawen”, denken die meisten vermutlich an Gebiete wie Tschechien, Polen, die Länder des Balkans oder an Russland, kurzum, man assoziiert damit in gewisser Weise den “Osten”. Wobei es “den Osten” als konkreten Ort ebenso wenig gibt wie “die Slawen” als eine einheitliche Ethnie. Allenfalls lassen sich Letztere als regionales Unterscheidungsmerkmal in Süd-, Ost- und Westslawen unterteilen. Dabei sind es die kulturellen und mythologischen Zeugnisse der westslawischen Stämme der Germania Slavica, die man zwischen den Flüssen Elbe und Oder respektive dem Kap Arkona auf Rügen und den Lausitzen (Oberlausitz/Niederlausitz) verorten kann, denen der Slawist Hans-Christian Trepte im unter dem Buchstaben “S” erschienenen Band der Reihe “Kleines Mythologisches Alphabet” eine intensivere Betrachtung widmet.

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Zum Ende der Welt. Eine Reise auf dem südlichen Peloponnes – Kapitel 2 “Exo Mani”

Zuerst noch nahe am Meeressaum, dann bald schon immer höher und kurvenreicher führt die Straße von Kalamata nach Süden. Sie windet sich zwischen Meer und Bergen, vorbei an massigen Felsklötzen, die bewachsen sind mit dichter Maccia und Zypressen. Soweit man blicken kann, sind die Niederungen von unermesslich vielen Olivenbäumen bedeckt. Wir fuhren bald schon hoch über dem Meer und schauten zurück auf die Bucht von Kalamata. Das weiße Häusermeer verschwand rasch aus unserem Blickfeld, immer weiter aufwärts führend zwängte sich die Straße durch wildzerklüftete Felslandschaften, die in ein verblüffend üppiges Grün getaucht waren.

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Zum Ende der Welt. Eine Reise auf dem südlichen Peloponnes – Kapitel 1 “Hotel Byzantio”

In Regenfällen versinkt Nordgriechenland. Bilder und Namen überfluteter Ortschaften huschen durch die Nachrichtenkanäle. Mantoudi, Achladi, Agia Anna. In der Region Evia und an der Grenze zu Albanien soll die Lage dramatisch sein. Immer mehr und immer südlicher ziehen Regenfronten über die Schaubilder der Wettervorhersagen. In Athen jedoch ist es bei meiner Ankunft in den ersten Oktobertagen noch trocken und warm. In meiner Unterkunft nimmt mich Sergej in Empfang, ein Ukrainer aus Mariupol im Camouflage-Anzug. Er läßt mir kaum Zeit, meinen Rucksack abzusetzen, beginnt unverzüglich, mir Athen zu erklären: Wie man wohin gelangt, was man gesehen haben muss und was nicht. Sergej spricht unentwegt über dies und das, allein über meine Mitbewohner in seiner Unterkunft, düstere Gestalten, die schweigend umherschleichen und einem Dostojewski-Roman entsprungen sein könnten, bewahrt er Stillschweigen. Vom Dach des Hauses aus zeigt er mir die Akropolis, führt mich danach zu einem Kaffeehaus am Rande eines Parks. Hier treffe ich Stefanos, den Freund, mit dem ich schon früher auf Kreta und in Griechenland gereist bin. Gemeinsam wollen wir dieses Mal die Mani durchwandern, jene karge und legendäre Halbinsel, die der Schriftsteller Patrick Leigh Fermor so unnachahmlich beschrieben hat. Zum südlichsten Zipfel des Peloponnes, zum Totenorakel der alten Spartaner und zum Kap Tenaro wollen wir, wo sich den mythischen Überlieferungen nach einer der Hadeseingänge befinden soll.

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Schöpfung, Helden, Ethik und Utopie: Zu Alexander Rauchs „Mythos im Judentum“

Einige der bekanntesten Themen der Hebräischen Bibel (des Alten Testamentes) sowie der talmudischen und rabbinischen Schriften zu hinterfragen, ob in ihnen nicht auch ein mythischer Kern stecke, hat sich Alexander Rauch mit seinem Buch Mythos im Judentum vorgenommen, das 2021 in der Reihe „Kleines Mythologisches Alphabet“ des Leipziger Verlages Edition Hamouda erschienen ist.

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Zauberwort und Wortzauber – Magie in Sprache und Literatur

Nichts scheint so fern wie die Magie, nichts so nah. Auf der einen Seite das Mittelalter, Ägypten, die Orakel und Zaubersprüche in fremdem Kauderwelsch, das ganze Abakadabra der geistigen Vernebelung. Der Glaube, Dinge durch den Geist bewegen zu können … Halt, da ist schon die andere Seite, die Nähe allen magischen Denkens. Wer glaubt, durch richtiges Denken die Wirklichkeit verändern zu können, denkt schon magisch. Von den Blicken in die Horoskope will ich gar nicht reden, aber doch von kleinen Alltagshandlungen, die magischen Charakter haben. Zum Beispiel sich einen Guten Morgen zu wünschen. Durch das Aussprechen dieses Wunsches soll der Morgen ja ein guter werden. Und die vielen anderen Wünsche, Hals- und Beinbruch, ich drück dir den Daumen. Sie müssen alle ausgesprochen werden. Die Sprache selbst also bürgt für die Anwesenheit der Magie. Denn sie rückt das, was fern ist, zum Beispiel die Vergangenheit oder ein anderes Land, in unser Bewusstsein. Das nennt man auch Telekinese. Die Sprache vollbringt es, wie die Musik, durch Schwingungen, freundliche, aufbauende, erfrischende wie auch runterziehende, deprimierende, sinnlose. Höhere Magie und niedere. Wie Magie baut Sprache auf Ritualen auf. Es gibt Wortfolgen, Konjunktionen, die verbinden, es gibt Objekte und Subjekte, Syntax und Regeln generell. Interessant ist, dass das Wort für Grammatik, lat. grammatica sich in Französisch in grammaire und grimoire spaltet, also Grammatik und Zauberbuch. Auch im Mittelenglischen hat grammarye eine Zauberkomponente, die sich im Glamour wiederfindet.

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Post aus dem Paradies oder Der imaginäre Monarch und seine Faszination

Von all den Legenden, die die geistige Welt des Mittelalters prägten, ist die Legende – oder sagen wir, der Mythos – vom Priesterkönig Johannes eine der nachhaltigsten gewesen. Im 12. Jahrhundert lief durch Europa die Kunde von einem mächtigen christlichen Herrscher im Osten, der seinen Glaubensbrüdern im Kampf gegen den Islam zu Hilfe kommen würde. Presbyter, d. h. Ältester bzw. Priester, nenne er sich, weil an seinem Hof eine Unzahl weltlicher und geistlicher Würdenträger Dienst tue, unter denen er sich durch einen Akt paradoxer Bescheidenheit auszeichne, wo er doch Herr aller Herren und in Wahrheit der mächtigste Monarch der Welt sei. In seinem Reich herrschten wahrhaft paradiesische Zustände: Überfluss an allem, kein Verbrechen, keine Unmoral; Krankheiten könnten wundersam geheilt werden, Quellen schenkten Jugend und langes Leben.

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Sagas aus der Vorzeit – Von Wikingern, Berserkern, Untoten und Trollen: Band I Heldensagas

Die Nordischen Mythen und Sagas sind in der modernen Populärkultur wieder in den Blickwinkel des Publikums gerückt. Spätestens seit dem großen Erfolg der Fernsehserie Vikings (2013-2020) begeistert diese Thematik nicht mehr allein die Fans der Mittelalter- und Reenactmentszene, sondern stößt auf ein breites Interesse bei der abendlichen Unterhaltung. Nordische Sagas und Mythen sind, zumindest zeitweilig, wieder en vouge geworden. Und die Geschichte des Dänenkönigs Ragnar Lothbrok ist, wenn auch historisch hoch umstritten, nicht nur sehens-, sondern auch lesenswert! Die ideale Gelegenheit also, um sich ein Buch über die Helden der isländischen Vorzeit zur Brust zu nehmen und -“Ad fontes!“, wie die Angehörigen der Historikerzunft zu sagen pflegen – in die Welt der Wikinger einzutauchen. Denn die Sagas aus der Vorzeit zeigen: Ragnar ist nicht allein. Heldenfiguren, ob historisch oder fiktional, gibt es viele in der nordischen Sagaliteratur.

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Nietzsche, Bataille und – al-Ghazali?! Zur Rolle der Musik in der islamischen Mystik

In meinem letzten Beitrag habe ich versucht, das Verständnis von Kunst, besonders in Hinblick auf Musik und Fest, gemäß Nietzsche und Bataille zu skizzieren. Dabei spielte die Unterscheidung von Dionysischem und Apollinischem bei Nietzsche einerseits und die von „verschwenderischem Aufbrausen“ und „bewahrender Besonnenheit“ bei Bataille andererseits eine zentrale Rolle. Erstaunlicherweise findet man nun eine sehr ähnliche Auffassung auch in einem Kontext wieder, der zeitlich deutlich früher zu verorten ist – im Mittelalter – und in einem deutlich anderen religiös-kulturellen Kontext beobachtet werden kann, nämlich innerhalb des Islams.

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China und Japan auf der Schaukel. Kai Vogelsang über die konfliktreiche wie produktive Geschichte einer Beziehung

China und Japan – die Geschichte einer langen Hass-Liebe-Beziehung. Der Hamburger Sinologe Kai Vogelsang hat sich dieser Beziehung gründlich angenommen, in einer Studie von mehr als 500 Seiten. Spielt diese Beziehung für uns in Europa eine Rolle? Ich denke ja. Zum einen ist sie sinnbildlich für alle Beziehungen zu sehen, in denen Machverhältnisse in einem ständigen Wechsel sind – man denke an China/Russland/USA, an Europa und Großbritannien. Auch eine Parallele zu Griechenland und Rom drängt sich auf. Zudem gibt sie uns Auskunft über die Rolle von Kultur und Gewalt in der Geschichte, über die Aneignung und Assimilation von Kulturgütern einer Kultur durch eine andere – und oft auch die Rückaneignung solcher Güter, nachdem sie durch fremde Hände verwandelt worden sind, mal zu ihrem Vorteil, mal zu ihrem Schaden. Das dürfte für die heutige Diskussion um die Rückgabe von kolonialem Raubgut und kultureller Aneignung nicht unwichtig sein. Und drittens handelt es sich um stärkste Industrieländer, deren Beziehung auf unsere globale Ökonomie einen enormen Einfluss hat.

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Germanisch oder Nordisch?

Ob es nun Germanische oder Nordische (bisweilen auch: nordgermanische) Mythologie heißen müsse, ist ein Streitpunkt, der nicht einfach zu entscheiden ist. Die Frage hört sich zunächst zwar einfach an, sie enthält jedoch einige komplexe Implikationen, bei denen auch historische und ideologische Aspekte eine Rolle spielen. Überdies stoßen hierbei unterschiedliche Wissenschaftstraditionen aufeinander. So ist die Bezeichnung Germanische Mythologie im deutschsprachigen Raum bis heute am weitesten geläufig. Hingegen wird im angelsächsischen Raum in der Regel von (Old) Norse Mythology, bisweilen auch von Nordic Mythology gesprochen, die Mythologie also als nordisch verortet.

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Wir sind Legion – Ein Besuch bei Beelzebub und Freunden

Es sind nicht mehr als einhundert Kilometer von Vilnius nach Kaunas, aber mein Zug braucht mehrere Stunden für die Strecke, bummelt durch die flache Landschaft zwischen Wäldern, Wiesen, Seen und Sümpfen dahin. Wenn ich mich zurücklehne und die Augen schließe, sehe ich die baltische Landschaft trotzdem, sie ist ein Bernstein zwischen Meereskieseln, stumpf an der Oberfläche, schimmernd im Inneren, fest und weich zugleich. Eingeschlossen im erstarrten Harz wie Insekten liegen behütet die Städte zwischen Meer und Kiefern, zwischen Sümpfen und Sand. Eine ruhige, friedliche Landschaft, schwer vorstellbar, dass sich hier die Heimat des Bösen befinden soll.

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Rotkäppchen in Australien

Ein Erlebnisbericht unserer Australienfachfrau Birgit Scheps-Bretschneider beim Erzählen von Grimms Märchen bei den Aborigines.

Simpson Wüste, Zentralaustralien 2001

Es ist später Nachmittag, wir sind eine lange Strecke gelaufen, haben im Wüstengebiet von pmara jutunta Buschpflaumen gesammelt und bereiten nun das Lager für den Abend und die Nacht vor.

Eine der Frauen macht Feuer, wir stellen unsere Billys, kleine verbeulte Alutöpfchen, in die Glut und kochen Tee. Wir Frauen sitzen nun zusammen und schwatzen, die Kinder suchen die Spinnifexbüschel nach kleinen Eidechsen ab und spähen nach Kaninchenlöchern. Die Jungen haben sich aus Ästen kleine Speere geschnitzt und wollen noch große Jagdbeute machen. Auch die Männer, die gemeinsam in der Wüste unterwegs waren, kommen nun zum Lagerplatz. Sie bringen zwei große Perentie-Echsen mit, die unser Abendbrot sein werden. John schneidet unten und oben am Bauch ein Loch in den Perentie und zieht dann den Darmtrakt heraus. Die Echsen können nun in die heiße Asche gelegt werden, der Rücken nach unten und der Bauch nach oben. Heiße Asche, etwas Glut und Erde obenauf – jetzt heißt es nur noch warten, bis alles gar ist.

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Jade (Yu) – Der Stein zur Unsterblichkeit

Ein Totengewand für den Herrscher

Totengewand von Kaiser Lui Sheng (1. Jh. v. Chr.), Hubei Museum, China

Mit einigen letzten Handgriffen sind die Vorbereitungen des königlichen Leichnams auf dessen Reise ins Totenreich abgeschlossen. Die Priester und Zeremonienmeister werden im Anschluss noch einmal kontrollieren, ob auch wirklich jede Stelle des Körpers mit dem Grabgewand aus Jade bedeckt ist. Insgesamt 2498 rechteckige Plättchen aus der kostbaren Jade, verbunden mit feinem Golddraht, bilden das Totenkleid, welches schon zu Lebzeiten des Herrschers passgenau angefertigt worden ist. Zuvor hat man die Körperöffnungen mit kleinen Jadepflöcken verschlossen, damit die Wirkung der Jade auch die inneren Bereiche des Körpers erreicht. Denn nur dann kann der Körper Liu Shengs (gest. 113 v. Chr.), Sohn des Kaisers Jing und älterer Bruder des amtierenden Kaisers Wu, für die Ewigkeit konserviert werden.

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Die Bestie des Gévaudan

Von Ende Juni 1764 bis Mitte Juni 1767, gut 20 Jahre, bevor die Französische Revolution den Absolutismus – das Ancien Régime – hinwegfegte, wurden die am Südabfall des Massif Central gelegene Grafschaft Gévaudan und Teile der nördlich angrenzenden Auvergne von einem Untier heimgesucht, dessen Attacken etwa hundert Menschen zum Opfer fielen, zumeist Kinder, Jugendliche und Frauen. Als La Bête de Gévaudan, die Bestie des Gévaudan, erlangte es sehr bald schreckliche Berühmtheit über die betroffenen Regionen hinaus.

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“Ein Ring sie zu knechten” – Ausstellungsimpressionen

Was ist Macht?

Macht ist flüssig und in gewisser Weise kann man, wenn man Macht sozial-systemisch untersucht, den einzelnen Menschen zur kleinsten Einheit der Macht stilisieren. Einer Machtmonade. Diese Monade kann entweder positiv oder negativ geladen werden, was jeweils einen Mangel oder einen Überschuss an Macht bedeutet.

Macht definieren wir hier als die Fähigkeit, Einfluss auf andere auszuüben, oder in den Worten des deutschen Soziologen Max Weber: „Macht bedeutet jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht“. (Weber, S. 89) Wären alle Monaden neutral geladen, gäbe es auch keinen Einfluss einer Monade auf die andere, bei dem sinnvoll von einem Herrschafts- oder Verfügungsverhältnis gesprochen werden könnte, und ohne ein Ladungsgefälle fließt auch kein Strom.

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"Beschreiben nützt nichts, ansehen." – Der Mythos Nofretete

“Lebensgroße bemalte Büste der Königin, 47 Zentimeter hoch. Mit der oben gerade abgeschnittenen blauen Perücke, die auf halber Höhe noch ein umgelegtes Band hat. Farben wie eben aufgelegt. Arbeit ganz hervorragend. Beschreiben nützt nichts, ansehen.” (Tyldesley, S. 140)

Die Sätze, die der deutsche Ägyptologe Ludwig Borchardt in seinem Grabungstagebuch von 1912/13 notierte, klingen präzise und nüchtern angesichts der Tatsache, dass es ihm gelungen war, einen der bedeutendsten Funde der ägyptischen Amarna-Zeit zu entdecken. Natürlich war er sich zu diesem Zeitpunkt des Hypes, den der mit bemaltem Gips überzogene Kalkstein im christlichen Abendland auslösen sollte, nicht bewusst. Ein Hype, der bis heute nichts an Intensität verloren hat und Künstler, Bewunderer und Schönheitsfetischisten gleichermaßen in seinen Bann schlägt.

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Maria Magdalena – Heilige, Hure, Apostelin der Apostel

Sie stammte aus Magdala (hebräisch: Migdal), einer Stadt nahe des Sees Genezareth, war eine enge Vertraute von Jesus und ist eine biblische Figur, die ihresgleichen sucht. Neben anderen Frauen aus der Gefolgschaft Jesu blieb sie bei ihm bis zum Ende. Sie war eine der wichtigsten Zeugen der Auferstehung und trug die Botschaft zu den männlichen Jüngern. Die Rede ist von Maria Magdalena und ihre Geschichte ist vielschichtig, steinig und turbulent.

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„Ich höre erst dann auf, Schwarz zu tragen, wenn eine dunklere Farbe erfunden wird!“

Liebe Leserinnen und Leser,

endlich ist es soweit. Pfingsten rückt näher und wir sind auch dieses Jahr wieder mit zwei Veranstaltungen im Programm des Wave-Gotik-Treffens in Leipzig dabei!

Da Organisation und inhaltliche Gestaltung uns diese Woche in Atem halten, fällt unser Beitrag etwas kürzer aus. Nächste Woche melden wir uns dann wie gewohnt freitags mit einem ausführlichen Blogpost zurück.

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Pergamon, oder ein Blick hinter die Kulissen der Vergänglichkeit

Als ich 1996 auf einem Schulausflug das Pergamonmuseum in Berlin zum ersten Mal erkunden durfte, gab es nur eine Reaktion, um den Augenblick zu beschreiben, als ich den Altarraum betrat: ungläubiges Staunen, gefolgt von abwechselnder Begeisterung und dem Gefühl, irgendwie “klein” zu sein. Noch heute finde ich keine Worte für das Empfinden von damals. Was bleibt auch zu sagen, wenn man sich plötzlich Auge in Auge mit Architektur und Mythen aus über 2000 Jahren Menschheitsgeschichte gegenübersieht? Natürlich kannten wir die Antike aus dem Unterricht. Und hin und wieder begegnete uns die eine oder andere klassizistische oder renaissanceangehauchte Zeichnung in einem Buch für Kunsterziehung (und ja, die Wende-Zeit war da längst vorüber). Aber die Dinge in realis zu sehen ist, wie immer, eine vollkommen andere Erfahrung, als sie zweidimensional auf Papier gepresst vorzufinden. Das also war die Museumsinsel von Berlin. Das also war der Ort, der die Zeugnisse einer antiken Stadt bewahrte, deren Blütezeit längst vergangen war. Und es sollten in den angrenzenden Räumen noch weitere Beispiele aus versunkenen Zeiten folgen: das Markttor von Milet, das Ishtar-Tor von Babylon, Gräber und Reliefs aus dem Zweistromland (Mesopotamien), Kunst aus dem Islam, Münzen, Götterstatuen, Porträts und und und. Die alte Welt konserviert in Räumen. Und jeder ist eingeladen, diese zu besuchen; einzutauchen in eine andere Welt, die dennoch unsere Welt ist.

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Person und Mythos – Die heilige Elisabeth von Thüringen

“Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen. Dies ist die Lebensbeschreibung und die Legende der gottseligen St. Elisabeth, der Tochter des edlen Königs von Ungarn, die nach Gottes Willen und Fügung mit dem edlen Fürsten Landgraf Ludwig von Thüringen vermählt wurde.” (Leben und Legende, S. 7)

Mit diesen Worten beginnt der Dominikaner Dietrich von Apolda (vermutlich 1230-1302) seine Vita, welche zwischen 1289 und 1291 entstand: die Vita der heiligen Elisabeth von Thüringen. Diese schillernde Gestalt des Mittelalters, heilige Landespatronin von Thüringen und Hessen, erfährt hier eine Aufarbeitung im Sinne von “Leben und Legende”: neben den Fakten finden sich viel Erzählstoff und Geschichten um die Person Elisabeth von Thüringen, die zur Bildung eines unverkennbaren Mythos führten.

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Tierwesen: Über eine mythisch-cineastische Beziehung

Es ist wieder soweit! In den Kinos flimmern zum zweiten Mal die “Phantastischen Tierwesen” der britischen Autorin und “Mutter von Harry Potter”, Joanne K. Rowling, über die Leinwand und begeistern große und kleine Zauberer und Hexen, sorry, Zuschauer, natürlich. Da gibt es den süßen Niffler, eine Art bepelztes Schnabeltier mit körpereigenem Kängurubeutel, in den er alle glitzernden und glänzenden Sachen stopft (vorzugsweise Münzen, Goldbarren und Schmuck), die er in seine Pfötchen bekommt. Ebenfalls mit von der Partie ist der Bowtruckle Pickett, der Ähnlichkeit mit einem grünen Miniatur-Baum-Insekt aufweist. Auf Bäumen lebt seine Art denn auch, bevorzugt in solchen, die sich für die Herstellung von Zauberstäben eignen. Von Bowtrucklen weiß man, dass sie aufgrund ihrer Größe gut Schlösser knacken können. Exemplare wie Pickett entwickeln zudem eine relativ große Anhänglichkeit für ihre Beschützer und reagieren entsprechend vergnatzt, wenn man sie für scheinbar unlautere Pläne einspannen will. So geschehen im ersten Teil der “Phantastischen Tierwesen”, als Pickett an den gierigen Kobold Gnarlak gegen wichtige Informationen verkauft werden soll. Natürlich nur zum Schein. Streit vorprogrammiert.

Weitere Tiere (in Auswahl), die die meiste Zeit über im Koffer des Zauberers Newt Scamander (seines Zeichens Autor eines Buches über magische Geschöpfe) leben, hören auf Namen wie Graphorn, Occamy, Knuddelmuff und Murtlap. Einer meiner persönlichen Lieblinge ist allerdings der Böse Sturzfalter, ein Tierwesen, das Reptil und Insekt in sich vereint. Passenderweise bewirkt sein Gift das Vergessen von unschönen, leider aber auch schönen Erinnerungen. Wenn man sich denn daran erinnert. Sturzfalter ernähren sich bevorzugt von menschlichen Gehirnen. Stolpert man also zufällig über seinen recht unscheinbar wirkenden Kokon, bitte nicht berühren, denn einmal geweckt und im Flug begriffen, kann der Böse Sturzfalter eine beachtliche Größe annehmen.

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