Wälder, Träume, kalte Herzen – Von der Magie eines Märchens

“Schatzhauser im grünen Tannenwald,
Bist schon viel hundert Jahre alt;
Dein ist all Land, wo Tannen stehn,
Lässt dich nur Sonntagskindern sehn.”

Es war einmal … Die Ahnung eines dichten Waldes. Stille. Der Alltag nur eine vage Ahnung der Wirklichkeit. Und in der Stille Gekicher. Mal von hier, mal von dort. Eine finstere Kulisse und in der Mitte, sich langsam bewegend, ein weißes Männlein mit spitzem weißen Hut, bei dem man nicht umhinkommt, an die Kopfbedeckung eines Zauberers zu denken. Näher und näher kommt die Gestalt, die geisterhaft wirkt vor der Düsternis der irrealen Bäume; ein sich bewegender Lichtpunkt von Ferne, ummalt von einem schon fast schmerzlich grellweiß ausgeleuchtetem Rahmen, der an die aufgeschlagene Seite eines elektronischen Buches erinnert. Und die erste Frage ist bereits beantwortet, bevor sie sich stellt: Es ist Magie im Spiel in den kommenden neunzig Minuten.

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Geschichten und kein Ende – Drei Jahre MYTHO-Blog

Liebe Leserinnen und Leser des MYTHO-Blogs,

der britische Religionswissenschaftler Robert A. Segal hat in seiner Publikation “Myth. A very short introduction” (dt. Mythos. Eine kleine Einführung, Reclam) das Grundlegende der Mythologie wie folgt auf den Punkt gebracht: “Es scheint auf der Hand zu liegen, dass ein Mythos bei allem, was er sonst noch sein mag, vor allem auch eine Geschichte ist”. Und Geschichten fordern vor allem eines: Dass sie erzählt werden. Darum sind wir besonders froh und stolz, in unserem MYTHO-Blog seit nunmehr drei Jahren jeden Freitag von den Kulturen und Religionen der Welt zu berichten, aber auch ureigene Impressionen über Ausstellungen, Reisen, Philosophie, Geschichte, Ethnologie, Literatur und natürlich alte und moderne Mythen vorzustellen und mit Ihnen zu teilen.

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Von Schatten, Träumen und Schaufensterpuppen – Steven Millhausers “Zaubernacht”

“Kommt raus, kommt raus, wo immer ihr seid, ihr Träumer und Tagediebe, ihr Faulpelze und Verlierer, ihr Schattensuchenden und Sonnenwaisen. Kommt raus, kommt raus, ihr Nieten und Nullen, ihr Taugenichtse und Habenichtse, ihr vom Tag Ausgestoßenen, Liebkinder der Nacht. Kommet, ihr alle, die ihr scheußlich seid und kummervoll, ihr alle, die ihr schwarze Gedanken hegt und rote Fieberträume, kommt schon, ihr Kleinstadt-Ismaels mit euren traurigen blauen Augen, ihr Mauerblümchen und Pechvögel, kommt, ihr Nörgler und Ächzer, ihr Außenseiter und Sonderlinge, ihr Eigenbrötler und Wunderlinge, kommt nur, kommt nur, ihr bleichen Romantiker und nutzlosen Trunkenbolde, ihr Wart-noch-nie und Werdet-nie sein, ihr von der Sonne Verspotteten, vom Tag Verdammten, ihr Wesen der Dunkelheit: Kommt heraus in die Nacht.”

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Troja: Stephen Frys Neuerzählung der größten Geschichte der Welt

In Troy wächst Stephen Frys Neuerzählung der griechischen Mythologie um einen weiteren Band zur Trilogie an und zaubert die Leserschaft aufs Neue in die Welt von Helden und Göttern. Vorkenntnisse von Mythos oder Heroes, den Vorgängerbänden, werden jedoch nicht benötigt, Troy lässt sich komplett eigenständig lesen und verstehen. Dabei muss sich der Leser in seiner Wahl jedoch zunächst auf die englische Ausgabe beschränken; wer auf die deutsche Übersetzung warten möchte, benötigt noch etwas Geduld.

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Stephen Fry: Mythos – Was uns die Götter heute sagen

Mythen wollen uns nicht nur unterhalten, sondern auch erklären. Sie beruhen auf den kollektiven Erfahrungen der Menschen und sind ein Ausdruck unseres Bedürfnisses, zu verstehen, nach welchen Gesetzen und Regeln die Welt um uns herum strukturiert ist. Schöpfungsmythen und Göttersagen geben uns Menschen eine Erklärung für die Existenz allen Seins und sind ein Versuch, die Lücken im menschlichen Erfahrungshorizont mit Sinnhaftigkeit zu füllen. Es verwundert daher in keiner Weise, dass jede uns heutzutage bekannte Kultur ihre eigenen Schöpfungsmythen und Götterwelten hervorgebracht hat.

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Einblicke und Ausblicke – Vom Kosmos fantastischer Kreaturen zu Reisen in imaginäre Welten

“Nach alldem wird man unschwer einräumen, dass nichts unsere Mitbürger die Vorkommnisse erwarten lassen konnte, die sich im Frühling jenes Jahres zutrugen und die, wie wir später begriffen, gleichsam die ersten Anzeichen der Serie von schlimmen Ereignissen waren, über die hier berichtet werden soll. Diese Tatsachen werden manchen ganz normal erscheinen und anderen wiederum unwahrscheinlich. Aber schließlich kann ein Berichterstatter diese Widersprüche nicht berücksichtigen. Er hat nur die Aufgabe zu sagen: “Das ist geschehen”, wenn er weiß, dass dies tatsächlich geschehen ist, dass dies das Leben eines ganzen Volkes betroffen hat und es also Tausende von Zeugen gibt, die in ihrem Herzen die Wahrheit dessen, was er sagt, bewerten werden.” (Albert Camus, Die Pest, 1947)

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Vergessene Götter: Anu, “der allerfernste der Götter im weiten Himmel”

“Als die Götter Mensch waren, trugen sie die Mühsal, schleppten sie den Tragkorb. Der Tragkorb der Götter war groß, die Mühsal schwer, übermäßig war die Drangsal. Die großen Anunnaku ließen siebenfach die Igigu die Mühsal tragen. Anu, ihr Vater, war der König; ihr Ratgeber der Held Enlil. Ihr Thronträger war Ninurta, ihr Kanalinspektor Ennugi. Sie fassten die (Los-)Flasche an ihrer ‘Wange’, warfen das Los, woraufhin die Götter teilten: Anu stieg (sodann) zum Himmel empor, Enlil nahm sich die Erde für seine Untertanen. Die Riegel und die Schlingen des Meeres wurden dem weitsichtigen Enki hingelegt. Diejenigen des Anum stiegen zum Himmel empor, diejenigen des (Grundwassers) Apsu stiegen endgültig hinab. Es waren müßig diejenigen des Himmels, die Mühsal ließen sie tragen die Igigu. Die Götter begannen, Flüsse zu graben – die Wasserläufe der Götter, das Leben für das Land.” (Als die Götter Mensch waren, Die altorientalische Sintfluterzählung, S. 10)

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Sehnsucht nach und Aufbruch in den Kosmos: Mythische Aspekte der Reise ins Weltall, Teil 1

Seit einiger Zeit rückt die bemannte Raumfahrt wieder verstärkt in den Mittelpunkt des wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Interesses. Nach den sechs bemannten Mondlandungen zwischen 1969 und 1972 wurden unser Sonnensystem und das Weltall über Jahrzehnte – bis auf die routinemäßigen Besatzungswechsels auf der ISS im Orbit der Erde – nur vermittels immer besserer Satelliten, Raumsonden, inklusive Landefahrzeugen, und Weltraumteleskopen erkundet. Der technische Fortschritt hat so die Astrophysik immer weiter vorangebracht, allerdings den Menschen mit seinem physischen Leib erstaunlicherweise nicht weiter hinaus in unsere kosmische Umgebung. Diesen Umstand zu ändern, haben sich seit etwa zehn bis zwanzig Jahren staatliche Stellen verschiedener Nationen, aber auch private Investoren verschrieben. Die Ziele sind hoch gesteckt, nicht nur geht es um eine erneute bemannte Landung auf dem Mond 2024 und die eventuelle Errichtung einer Mondbasis, sondern weiter sind ähnliche Operationen sogar auf den Mars angedacht. Neben den wissenschaftlichen, technischen und wirtschaftlichen Details, die hier von Bedeutung sind, wohnt solchen Vorhaben durchaus auch ein genuin mythisches Moment inne.

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